218 Jie Geserreichis#g-Anzgarische Mesarthie. (Mai 26.— Juni 7.)
26. Mai. (Budapest.) Schluß der Delegationen, nachdem
das gemeinsame Budget angenommen ist.
28. Mai. (Steiermark.) Die Regierung löst den Gemeinde-
rat von Graz auf.
29. Mai. (Böhmen.) In Reichenberg wird ein Bund
deutsch-böhmischer Städte gegründet, dem sogleich 151 von den
158 deutschen Städten in Böhmen beitreten.
Juni. In Galizien kommt es zu heftigen Bauernaufständen,
die sich vornehmlich gegen die Juden richten.
5. Juni. (Mähren.) In Brünn findet eine große deutsche
Kundgebung gegen die tschechischen Hochschulen statt.
7. Juni. (Wien.) Abgeordnetenhaus. Wolfs Angriff auf
den Bischof von Trient. Debatte über die Sprachenverordnungen.
Nachdem Abg. v. Schönerer (deutschnat.) eine Petition von 2183
Gemeinden um Aufshebung der Gautsch'schen Sprachenverordnungen verlesen
hat, wobei es zu heftigen Tumulten kommt, wendet sich Abg. Wolf (deutsch-
nat.) gegen den Fürstbischof von Trient, der seinen Diözesanen das Lesen
der „Bozner Ztg.“ verboten hat. Wolf sagt: „Leben wir denn in einem
Rechtsstaate, daß ein übermütiger oder verrückt gewordener Pfaffe sich
herausnimmt, so freche Edikte zu erlassen? Leben wir in einem Rechts-
staate, daß ein .“ (Lebhafte Unterbrechungen, stürmische Entrüstungs-
rufe im Zentrum.) Wolf: „Ich wiederhole: ein übermütiger oder verrückt
gewordener Pfaffe .“ (Neuerliche stürmische Entrüstungsrufe bei den
Klerikalen.) „.Ich achte alle Priester, die ihres Rockes Würde achten,
aber nicht einen Pfaffen, der sich herausnimmt, sich so frech über ein Staats-
grundgesetz zu stellen.“ Bizepräsident Ferjancic ruft Wolf zur Ordnung.
Wolf: „Sorgen Sie lieber dafür, daß diesen Pfaffen das Handwerk gelegt
werde! Es ist höchst dringend, daß alle diejenigen, denen an der idealen
Höhe der katholischen Kirche gelegen ist, alles aufbieten, um solche Ueber-
griffe zu verhindern, denn sonst treiben Sie uns geradezu dem Protestantis-
mus in die Arme!“ Man habe die Deutschen von der Opposition zur
Obstruktion getrieben, es gebe aber noch ein drittes Stadium: die Revo-
lution. Solange die Sprachenverordnungen bestehen, werde der Kampf bis
zur Vernichtung geführt werden. Die Deutschen würden aber nicht ver-
nichtet werden. Abg. Kramarz (Tsch.): Die Tschechen wollten nur die
Gleichberechtigung im Lande. Er protestiert gegen die Verdächtigung, daß
die Prager Exzesse einem Abkommen mit dem Grafen Badeni entsprungen
seien. Redner wendet sich gegen die Behauptung Mengers, daß die Tschechen
den Ruin des Dualismus herbeiführen wollten, und sagt, die Deutschen
hätten durch die Obstruktion den Ausgleich mit Ungarn verhindert und
dadurch den Dualismus in höchste Gefahr gebracht. Die flavische Bevöl-
kerung Oesterreichs werde die deutsche Staatssprache nie und nimmer an-
nehmen; die 14 Millionen Nichtdeutsche in Oesterreich hegten keinen Haß
gegen die Deutschen und wollten keine Vergewaltigung derselben, sondern
nur Gerechtigkeit und gesetzlichen Schutz jeder Nation. — Während der
Rede kommt es zu stürmischen Auftritten.
Auf eine Anfrage über das Arbeitsprogramm des Haufes erwidert
der Präs. Fuchs, daß, nachdem in der vorgestrigen Obmänner-Konferenz
die Vertreter der Minorität erklärt hätten, daß sie zur Zeit jede pofitive