Greßbritannien. (April 9. 21.) 257
9. April. Der Deutsche Kaiser sendet ein Glückwunsch--
telegramm an die Königin aus Anlaß der Erfolge Kitcheners über
die Derwische. (Vgl. Agypten.)
April. Die englische Prefse knüpft an das kaiserliche Glück-
wunschtelegramm und an die deutschfreundliche Rede Balfours
Vermutungen über eine deutsch englische Verständigung über
Agypten, Ost-Asien und die Delagoabai.
21. April. (Unterhaus.) Schatzkanzler Sir Hicks Beach
legt das Budget vor. Übersicht über die Heeresausgaben der Groß-
mächte.
In seiner Auseinandersetzung erklärt der Kanzler, daß der thatsächliche
Ueberschuß des lehten Rechnungsjahres 3 600 000 Pfund betrage und die National-
schuld um 6½ Millionen Pfund zurückgegangen sei. Die Ausgaben seien für
das laufende Finanzjahr auf 106 829 000 Pfund, die Einnahmen auf 108615000
Pfund, der Ueberschuß also auf 1786000 Pfund veranschlagt. In dem Budget
ei der Einkommensteuersatz von 8 Pence für das Pfund Sterling beibehalten,
jedoch eine teilweise Erweiterung des bestehenden Steuernachlasses auf Ein-
kommen zwischen 400 und 700 Pfund jährlich vorgesehen; ferner seien
Erleichterungen für gewisse drückende Fälle bei den Todesfallabgaben und
der Grundsteuer vorgesehen. Die Steuer auf Rohtabak werde um 6 Pence
auf das Pfund herabgesetzt, in demselben Verhältnis auch die Steuer auf
die übrigen Tabaksorten; nur die Steuer auf Cigarren werde nicht herab-
gesetzt. Die verringerten Tabaksteuersätze sollen am 16. Mai in kraft treten.
Im weiteren Verlaufe seiner Rede erklärte der Schatzkanzler: Großbritannien
wende für Heer und Marine 63⅛½ Millionen, Frankreich 36387000,
Deutschland 35226 000 und Rußland 38569000 Pfund Sterling auf;
aber Großbritanniens Herrschaft umfasse eine Bevölkerung von 365 Millionen,
welche über den ganzen Erdball zerstreut sei, das seien 80 Millionen mehr,
als Frankreich, Deutschland und Rußland zusammen hätten. Man könne
nicht sagen, daß die Ausgaben Großbritanniens unnötig groß seien im
Hinblick auf die großen Interessen, die es zu verteidigen habe. Der Netto-
Tonnengehalt der britischen Handelsmarine sei dreimal so groß, und der
Wert des Seehandels um 50 % höher als derjenige der obengenannten drei
Länder. Die Marine= und Heeresausgaben zur Verbreitung des britischen
Handels über die ganze Welt würden durch den vergrößerten Handel den
Wohlstand mehren, sodaß die erhöhten Lasten leicht getragen werden könnten.
Er sehe, was den Handel betreffe, zuversichtlich in die Zukunft. Jede
Störung desselben in der westlichen Hemisphäre werde mehr als ausge-
glichen sein durch die Besserung der Lage in Indien, und durch das, was sich
vor kurzem im fernen Osten ereignet habe. Zum Schluß drückt Sir
Michael Hicks Beach seine Genugthuung darüber aus, daß er im stande
gewesen sei, für so große Jahresausgaben, wie sie noch nie vorher gewesen
seien, Deckung zu schaffen, ohne die Steuern zu erhöhen. Eine Voraussicht
in finanzieller Hinsicht sei unficher und schwierig bei dem Handel Groß-
britanniens auf jedem Meere, in jedem Lande. Kein Ereignis in irgend
einem Teile der Erde könne für England gleichgiltig sein, und ein Ereignis,
wie der voraussichtlich zum Ausbruch kommende Krieg zwischen zwei
zivilisierten Nationen, müsse Anlaß zu Besorgnissen geben. Er hoffe, daß,
wenn es zum Kriege komme, dieser nur kurze Zeit dauern werde. Seiner
Europäischer Geschichtskalender. Bd. XIXIXIx. 17