Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

Greßbritaunien. (Mai 19. -Juni 6.) 261 
seits zugelassen, habe die Gefahr darin gelegen, daß große Bevölkerungs- 
schichten Chinas zu dem Glauben gelangen konnten, ihre Beherrschung 
durch eine fremde Macht sei ein Geschick, dem sie nicht entgehen könnten. 
Großbritanniens Sache sei es gewesen, ihnen zu sagen, daß dieses Geschick, 
soweit Großbritannien es verhindern könne, nicht über sie kommen werde. 
Er sei der Ansicht, daß Wei-Hai-Wei von großem strategischen Werte sei, 
noch wichtiger aber sei die Wirkung der britischen Politik auf die Meinung 
des Ostens; das Wichtigste sei, bah nicht nur China, sondern auch Korea 
und Japan nicht glaubten, daß Großbritannien das Spiel um die Nachbar- 
schaft von Port Arthur aufgegeben habe. Die Stellung der Regierung sei 
einfach die: sie wünsche nicht eine Zerstückelung Chinas in irgend welchem 
Grade beginnen zu sehen, sie wolle zu einer solchen Zerstückelung nicht er- 
mutigen, und vor allem wolle sie nicht, daß die Chinesen und andere 
Nationen glaubten, Großbritannien beabsichtige, sich Landgebiet anzueignen, 
und wolle sich an der Beute beteiligen. Als Wei-Hai-Wei besetzt worden 
sei, sei es nötig gewesen, es mit einer Garnison zu belegen, es zu schützen 
und den Hafen zu verbessern. Die Pachtung von Wei-Hai-Wei sei in 
erster Linie eine politische Maßregel gewesen, um das Vorgehen der anderen 
Mächte auszugleichen und zu kompensieren. Einen zweiten Vorzug biete 
Wei-Hai-Wei als Flottenstation und als Operationsbasis inmitten einer 
Gegend, die sehr schnell von großer Wichtigkeit werden dürfte und in 
welcher der Handel im Aufblühen begriffen sei. Wahrscheinlich werde die 
allgemeine Politik der Regierung unverändert bleiben, sie sei nicht leicht 
zu ändern. Er wünsche, daß das chinesische Reich erhalten bleibe, und 
glaube nicht, daß es eine europäische Nation gebe, die es unternehmen 
würde, auf eine so weite Entfernung 400 Millionen Menschen zu regieren. 
Er glaube, daß allein die Wohlfahrt der chinesischen Bevölkerung und das 
Aufblühen des Handels die Reform der chinesischen Regierung erfordern 
müsse, und in der Weiterentwickelung dieser Reform müsse sie, soweit 
irgend möglich, vor fremder Einmischung bewahrt werden. Er sei ängst- 
lich dafür besorgt, daß fremde Einmischung auf die Ermutigung zu inneren 
Verbesserungen beschränkt werde, und vertraue fest darauf, daß die fremden 
Nationen sich nicht gegenseitig in der Förderung dieses guten Werkes 
hindern, sowie daß sie die Hoffnungen auf das Emporwachsen dieses herr- 
lichen industriellen und kommerziellen Baues nicht durch territoriale 
Zänkereien zerstören würden, welche nur auf eine Vernichtung des Handels 
und der Industrie hinauslaufen könnten. Und zu diesem Endzwecke wolle 
die Regierung die weitestgehende Freundschaft mit allen den Mächten 
pflegen, mit denen sie in Berührung kommen möge. 
19. Mai. (Hawarden Castle.) Gladstone f. 
20. Mai. (Unterhaus.) Auf Antrag des Ersten Lords 
des Schatzamts, Balfour, wird einstimmig eine Adresse an die 
Königin beschlossen, worin um Beisetzung Gladstones auf Staats- 
kosten und Errichtung eines Denkmals in der Westminster-Abtei 
gebeten wird. 
28. Mai. (London.) Feierliche Beisetzung Gladstones in 
der Westminster-Abtei. 
6. Juni. (Irland.) In Belfast kommt es zu blutigen 
Tumulten zwischen Nationalisten und Orangisten bei einem Um- 
zuge, den die Nationalisten zur Feier des vor 100 Jahren begon-
	        
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