Stalien. (März 6. 14.) 291
Senatoren, Abgeordneten und Bürgermeister: An dieser denkwürdigen Stätte
auf der Höhe des durch unvergänglichen Ruhm geweihten Hügels gilt Mein
erster Gedanke Meinem hochherzigen Großvater und Meinem Vater, dem
Vater des Vaterlandes; denn ihr Werk war der Beginn und die Vollendung
der nationalen Wiedergeburt. Ich danke von Herzen für die Huldigungen,
die Mir dargebracht sind. Mein Herz jubelt bei der Erinnerung an den
Ursprung unserer Institutionen, die für Mich heilig find, wie sie es für
Meine Vorgänger waren. Der Glaube an das wiedererwachte Italien führte
uns nach Rom. In diesem Glauben, der uns zu den höchsten Zielen führen
wird, grüße ich die Edlen, die ihr Thun dem Vaterlande geweiht haben.
Ich habe Sie nach dem Kapitol berufen, damit wir von hier in Bewun-
derung der Herrlichkeit der ewigen Stadt, des Werkes zweier Epochen der
Zivilisation, die die Welt erleuchteten, unsere Wünsche zu Gott erheben,
der die Einheit Italiens wollte, damit unser Vaterland glücklich und groß
sei. Inmitten der majestätischen Reste ehemaliger Größe soll uns die neue
Größe nicht als bescheiden erscheinen. Die alte Größe war eine universelle,
die neue ist eine nationale. Jene gab ein römisches Italien, diese ein
italienisches NRom. Die erstere war ein Produkt der Gewalt, die zweite ist
der Ausdruck des Rechts, und wie alles Recht, so ist das italienische Rom
unverletzlich. Zu uns werden diese erhabenen Erinnerungen nicht von
Unterwerfung und Eroberung sprechen. Das moderne Recht weist jeder
Nation ihre Grenzen zu. Dieses geheiligte Prinzip erfülle und durchdringe
das Epos unserer politischen Wiedergeburt. Um unsere bürgerliche Wieder-
geburt zu vollenden, müssen wir aufschauen zu den zwei höchsten Zielen,
auf welche das moderne Denken freier Völker hinweist: Bethätigung des
Lebens und Erziehung des Geistes. Auf diese Faktoren jedes bürgerlichen
Fortschritts möge Mein Volk seine ausdauernde Arbeit richten. Möge es
Vertrauen haben zu Mir und Meinem festen Willen, sein Glück zu ver-
wirklichen. Möge es Glauben haben an seine junge Thatkraft und an seine
Stärke! Meinem Königlichen Herzen entquillt der Wunsch, daß, wie zur
Zeit der Morgenröte unserer nationalen Erhebung alle Klassen des Bürger-
tums sich vereinigten, um das Vaterland zu befreien, sie auch heute sich
gegenseitig unterstützen mögen, eng verbunden zum gemeinsamen Wohle.
Die unauflösliche Verknüpfung Meines Hauses mit den Schicksalen Meines
Volkes gründet sich auf die Uebereinstimmung der Gedanken und der Ent-
schlüsse, ist gestählt durch Unglück und Ruhmesthaten und wird den sichersten
Schutzwall bilden für unser italienisches Vaterland!
6. März. (Rom.) Der Abg. Cavalotti, Führer der Radi-
kalen, fällt im Duell.
14. März. (Kammer.) Debatte über die kretische Frage.
(Vgl. S. 41.)
Auf eine Anfrage des Deputierten Diligenti über die Haltung
der italienischen Regierung in Bezug auf die Kandidatur des Prinzen Georg
von Griechenland für den Posten des Gouverneurs von Kreta antwortet
der Unterstaatssekretär des Aeußern Bonin: Bei der Wahl der Behörde,
die mit der Durchführung des Programms der Mächte auf Kreta zu be-
trauen wäre, haben sich Schwierigkeiten erhoben, infolge deren die Ver-
handlungen verlängert werden mußten, um zu einer Uebereinstimmung zu
gelangen. Während dieser Unterhandlungen hat Rußland den Prinzen
Georg vorgeschlagen. Auf eine offiziöse Anfrage, welche Aufnahme es
dieser Kandidatur bereiten würde, hat Italien ohne Zögern geantwortet,
daß es im Interesse der Beruhigung der Insel geneigt sei, die Kandidatur
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