I##lien. (Ende April. 7.—9. Mai.) 393
Ende April. Anf. Mai. Unruhen wegen der hohen Brot-
preise in Bari, Faenza, Piacenza, Cremona, Figlina, Caserta,
Rimini u. a. O. — Zollhäuser und Magazine werden gestürmt
und andere Ausschreitungen begangen. Militär schreitet ein, viele
Personen werden verwundet oder getötet.
7.—9. Mai. Revolution und Straßenkampf in Mailand.
Ursachen der Revolution. Haltung des Erzbischofs Ferrari.
Da am 7. Mai sich große Volksmassen ansammeln, wird der Be-
lagerungszustand verkündet und das Militär aufgeboten. Die Aufständischen
errichten Barrikaden, die von den Truppen gestürmt werden. Bei diesen
Zusammenstößen werden 82 Personen getötet.
Ueber die Ursachen der Revolution herrscht fast einstimmig in der
bürgerlichen italienischen Presse die Meinung, daß sie nicht durch den Not-
stand, sondern durch anarchistisch-sozialdemokratische Umtriebe hervorgerufen
worden sei. Ferner wird behauptet, daß klerikale Agitatoren beteiligt ge-
wesen seien. So schreibt die „Tägl. Rundschau“: Hinsichtlich der Art der
Bewegung in Mailand herrscht kein Zweifel darüber, daß sie republikanisch-
sozialistisch ist. Man sagt, daß sie planmäßig vorbereitet worden sei, hat
aber dafür wohl keinen bestimmten Beweis. Sie war indessen durch die
maßlose Agitation der Sozialisten, der Republikaner und — der Klerikalen
moralisch derart vorbereitet, daß auch ein geringerer Anlaß als die Brot-
krawalle zu ihrem Ausbruch genügt hätte. Diese Massen, deren Unwissen-
heit von dem Klerus so mächtig genährt wird, der trotz aller Aufklärung
von staatlicher Seite viel mehr Einfluß im Volke besitzt, als man gewöhn-
lich glaubt, sind nur zu leicht geneigt, den Sozialismus als die Heilslehre
zu betrachten, derzufolge man im gegebenen Augenblicke sich in den Besitz
von Hab und Gut des Nächsten setzen, ihn berauben und sich an seiner
Stelle bereichern kann. Auch der Klerus selber hat viel auf dem Gewissen.
Statt in priesterlicher Aufgabe die sozialen Gegensätze auszugleichen, beutet
er die wirtschaftlichen Verlegenheiten Italiens aus und verkündet den Armen
im Geiste, all das Elend komme davon, daß Italien der weltlichen Papst-
herrschaft ein Ende gemacht habe! So wird der Klerus, indem er das
Staatsansehen herabsetzt, zum Mithelfer der Anarchisten der That. Damit
soll keineswegs gesagt sein, daß Geistliche etwa diesmal in Mailand direkt
gehetzt hätten. Aber was haben sie gerade im Lombardischen, gerade in
Mailand unter der Aegide des dortigen Erzbischofs gegen die Staatsgewalt
gewühlt! Der Zweitjüngste im Kardinals-Kollegium, ein Mann von noch
nicht fünfzig Jahren, ist Kardinal Ferrari, eben der Mailänder Erzbischof,
doch seit Jahren schon führt er die Unversöhnlichen Italiens und predigt
einen wahren Kreuzzug gegen die Staatseinheit und gegen die Staats-
beamten. So begriff er seine Aufgabe, Eintracht und Frieden in der ihm
anvertrauten Herde zu stiften. Eine demagogischere Sprache als die der
klerikalen Blätter „Voce della Verita“ und „Unita Cattolica“ ferner läßt
sich nicht denken. Der Mailänder „Osservatore Cattolico“ und die repub-
likanisch-sozialistische „Italia del Popolo“ gingen seit jeher Hand in Hand.
— Man findet es darum seltsam ungereimt, daß die Kirchenbehörden, welche
diesen Unfug jahrelang duldeten, nunmehr, nachdem der Brand gewütet,
nachdem die Schüsse gefallen und das Blut geflossen, der Regierung und
dem General, der den Belagerungszustand über Mailand hält, sich für die
Wiederherstellung der Ordnung zur Verfügung stellen. General Bava gab
denn auch dem Mailänder Suffragan-Bischof (der streitbare Kardinal Ferrari