294 Italien. (Mai 8.—12.)
hatte Mailand Sonnabend Mittag verlassen, als bereits Barrikaden er-
richtet und die Kanonen in Thätigkeit getreten waren) die derbe Antwort,
daß die Einkehr der Kirche das Kind der Furcht vor ihren bösen Thaten
zu sein scheine. Und als sodann Kardinal Ferrari ein Schreiben an General
Bava richtete, gab Bava hierauf sehr entschieden die Antwort, indem er
sein Bedauern über die Abwesenheit des Oberhirten aussprach, es wäre in
den letzten Tagen von höchstem Werte gewesen, wenn der Klerus auf Weisung
des Erzbischofs Friedensworte gesprochen hätte, um dem Blutvergießen Ein-
halt zu thun.
Der Kardinal Ferrari wird in der italienischen Presse heftig ange-
griffen. — Viele katholische Vereine und Zeitungen werden unterdrückt.
8. Mai. (Turin.) Das Königspaar und der Prinz von
Neapel nehmen teil an einer Feier zur Erinnerung an die Eröff=
nung des subalpinen Parlamentes im Jahre 1848. Der König
hält dabei folgende Rede:
Als Hüter der Freiheit Italiens habe ich mich in Ihrer Mitte ein-
finden wollen, stolz darauf, die Köuigskrone in Rom geerbt zu haben. Von
Rom boringe ich nach Turin, jenem Turin, wo geboren zu sein mein Stolz
ist, die Zuneigung des ganzen Volkes. Hier erklärte mein hochherziger
Ahn, daß es die Bestimmung Italiens sei, ein einiges Volk zu werden.
Hier verkündete mein unsterblicher Vater, daß er den Schmerzensschrei aus
allen Gauen Italiens vernehme. Hier hinterließ uns das fubalpine Par-
lament das sprechendste Beispiel von Bürgertugend und politischen Tugenden.
Heute wie damals bilden die parlamentarischen Institutionen die Stärke
des Vaterlandes und gereichen demselben zur Ehre; wir müssen uns an
diesen großen Ueberlieferungen erheben. Ich richte einen warmen Gruß an
Piemont und füge hinzu: die unlängst eröffnete Ausstellung offenbarte uns
die unaufhörlichen Fortschritte, die in diesem halben Jahrhundert gemacht
wurden, dank der Freiheit, deren Ursprung wir jetzt gedenken. Eingedenk
der früheren Tugenden, durch welche die schwersten Prüfungen überwunden
wurden, wollen wir daraus die Energie und den Mut schöpfen, jene
Schwierigkeiten, welche im Entwicklungsgange keines Volkes zu fehlen
pflegen, zu überwinden. Da ich weiß, wie viele Opfer Ilalien die Einig-
keit und die Freiheit kosten, wird es diese stets eifersüchtig zu bewahren
wissen. Die Schmerzen, die ich als Italiener und König im gegenwärtigen
Augenblicke empfinde, werden gemildert durch den Glauben, den wir an
die Zukunft des Vaterlandes bewahren müssen. Die Leiden des Volkes
rufen die Sorge meiner Regierung wach; aber ich fühle es, das Parlament
und das Land wird sich, wie immer, um mich scharen, und ich vertraue
darauf, daß die Verteidigung der höchsten nationalen Interessen fest aufrecht
erhalten werden wird. Das Volk hatte und hat in meinem Hause einen
Dolmetscher seines Denkens, und mein Haus war und ist noch jetzt be-
gründet auf dem Vertrauen des Volkes. Durch diese innige Harmonie
werden unsere Einrichtungen sich stets fruchtbringend er für die Größe und
das Wohl des Landes gestalten.
10. Mai. Brotunruhen finden an vielen Orten statt, be-
sonders in Luino, Messina und Florenz. In Florenz wird der
Belagerungszustand erklärt.
12. Mai. Ministerpräsident di Rudini richtet aus Anlaß
der Unruhen ein Rundschreiben mit Verhaltungsmaßregeln an die