Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

Stalier. (Mai 24.—Juni 16.) 295 
königlichen Kommissare in Mailand und Neapel, sowie an die 
Korpskommandeure und die Präfekten und Unterpräfekten. 
Das Schreiben betont, wenn die Bewegung sich auch ausdehne, so 
nehme sie doch an Stärke ab. Die kraftvolle Unterdrückung und die be- 
ständige Ruhe in Rom und in ganzen Bezirken, wie Piemont, Sizilien 
und Sardinien seien Thatsachen von großer Wichtigkeit, durch welche die 
schlechten Elemente entmutigt, diejenigen aber, welche die Aufrechthaltung 
der Unversehrtheit des Vaterlandes wollten, mit neuem Mut erfüllt würden. 
Oberste Pflicht sei, aufrührerische Handlungen sofort mit Thatkraft und 
unbeugsamer Strenge zu unterdrücken und dabei übertriebene Aengstlichkeit 
und fortwährendes Verlangen nach Verstärkung der Truppen, als ob das 
ganze Land auf den Kriegsfuß gestellt werden sollte, zu vermeiden. Wenn 
auch die unfinnige Bewegung eine Verirrung der ohne Ursache, ohne Zweck 
aufgeregten Massen zeige, so bestehe doch keine Gefahr für die Einrichtungen 
des Landes; gefährlich sei nur ein Mangel an Zutrauen zu sich selbst. 
Alle Behörden müßten bestrebt sein, den ehrenhaften Elementen wieder 
volles Vertrauen einzuflößen; das Bewußtsein, eine hohe Pflicht zu er- 
füllen, und das Vertrauen der Regierung zu allen Civil= und Militär- 
beamten konnten und mußten die Kräfte verhundertfachen und es ermög- 
lichen, die Ruhe nötigenfalls auch mit einer geringen Anzahl von Leuten 
wiederherzustellen. 
24. Mai. (Rom.) Marineminister Brin f. 
28. Mai. Ministerkrifis und Neubildung des Kabinetts. 
Infolge von Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Ministerrates 
hinsichtlich des Programms der parlamentarischen Arbeiten erklärt der 
Minister des Aeußern Visconti Venosta, seine Entlassung nehmen zu 
wollen. Infolgedessen überreicht der Ministerpräsident di Rudini im Namen 
seiner Kollegen dem Könige die Demission des gesamten Kabinetts. Der 
König beauftragt di Rudini mit der Bildung eines neuen Kabinetts. 
Bisconti verlangte in Bezug auf das Preß= und Vereinsgesetz und 
die Verwaltungswahlen eine wirksamere Schutzwehr gegen die Umsturz- 
propaganda eingeführt zu sehen, wozu sich Zanardelli nur in beschränktem 
Maße verstehen wollte. 
Am 1. Juni wird das Kabinett neugebildet: di Rudini, Präsidium, 
Inneres und interimistisch Ackerbau; Cappelli, Auswärtiges; Bonacci, 
Justiz; Branca, Finanzen; Luzzatti, Schatz; General di San Marzano, 
Krieg; Bize-Admiral Canevaro, Marine; Cremona, Unterricht; General 
Afan de Rivera, öffentliche Arbeiten; Frola, Postwesen. 
2. Juni. (Rom.) Der deutsche Maler Prof. Geselschap f##6 
16. Juni. (Deputiertenkammer.) di Rudini legt den 
Entwurf für die zeitweilig zu ergreifenden dringenden Maßregeln 
behufs Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe vor. 
Diese Maßregeln sind folgende: 1. Der Regierung soll die Befugnis 
gegeben werden, die Verhängung des Belagerungszustandes bis zur An- 
nahme eines besonderen bezüglichen Gesetzes in Anwendung zu bringen; 
2. soll das Gesetz vom Jahre 1894 über das Zwangsdomizil wieder in 
Kraft gesetzt werden; 3. sollen der Regierung besondere Befugnisse bezüglich 
der Presse zugestanden werden; 4. die Wiederherstellung aufgelöster Gesell- 
schaften soll verboten werden; 5. die teilweisen administrativen Wahlen 
sollen bis zum Jahre 1899 verschoben werden; 6. die Regierung soll er- 
 
	        
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