Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

S##lien. (Juli 12.—August 26.) 297 
Land ersehnt ängstlich diese Politik, mit der allein es sein Selbstvertrauen 
zurückgewinnen und seine wahre Wiederaufrichtung erwarten kann. Das 
Ministerium behält sich vor, die vom vergangenen Ministerium vorgelegten 
finanziellen und politischen Entwürfe zu prüfen. Für diesen Augenblick 
und ohne dabei nötig zu haben, neue Gesetzentwürfe vorzulegen, beschränkt 
sich das Ministerium darauf, nur dasjenige zu fordern, was es für un- 
bedingt zum glatten Lauf der Verwaltungsgeschäfte erforderlich erachtet. 
12. Juli. Die Kammer genehmigt die Maßregeln gegen 
die umstürzlerischen Bewegungen in geheimer Abstimmung mit 177 
gegen 36 Stimmen. 
14. Juli. Der Senat genehmigt mit 64 gegen 4 Stimmen 
die Umsturzvorlage. Pelloux sagt in der Begründung: 
Er könne die wiederholt geäußerte Behauptung nicht zugeben, daß 
die jüngsten Unruhen übertrieben worden seien. Die Regierung werde sich 
nicht einschläfern lassen, sie sei weit entfernt davon. Die materielle Ord- 
nung sei zwar wiederhergestellt, aber zur Herstellung der moralischen Ord- 
nung werde es einiger Zeit bedürfen. Man müsse mit großer Vorsicht 
vorgehen, um zum normalen Zustande zurückzukehren; besonders sei dies 
der Fall bezüglich der Presse und der Beschlagnahme von Zeitungen. 
Wenn diese Wachsamkeit nicht genügen würde, so werde dies ein Zeichen 
sein, daß die Gesetze nicht ausreichten und man würde sie reformieren 
müssen. Er müsse dasselbe sagen für die unmstürzlerischen Gesellschaften. 
26. August. Auf die Encyklika des Papstes vom 5. August 
antwortet der Minister des Auswärtigen mit folgendem Rund- 
schreiben an die Vertreter Italiens im Auslande: 
Die Worte, die der Papst in der Enchklika vom 5. d. M. an die 
Geistlichkeit und die Gläubigen Italiens gerichtet hat, konnten nicht um- 
hin, schnell ein Echo in der katholischen Welt zu finden. Die königliche 
Regierung verkennt nicht den Eindruck, den die als milde und rücksichts- 
voll zu betrachtende Form des Schriftstücks gemacht hat, das sich als Aus- 
fluß der erhabensten Regungen der christlichen Moral giebt, und sie würde 
nichts mehr wünschen, als daß thatsächlich „die italienischen Katholiken 
vor der Verschwörung und Auflehnung gegen die Staatsgewalt zurück- 
schrecken“. Wie Ew. Exzellenz bekannt ist, hat dies bezüglich der großen 
Mehrheit der italienischen Katholiken seine Richtigkeit; leider aber paßt es 
nicht auf die ziemlich zahlreichen Agitatoren, die im Namen einer Religion 
des Friedens sich nicht scheuen, Zwietracht zu säen und den ruhigen Gang 
des Staatslebens zu stören. Während sie offen und mit Nachdruck eine 
feindselige Enthaltung von der Ausübung der Hauptbürgerpflichten zur 
Schau tragen, nähren sie Zwietracht und Unordnung unter der Fahne 
einer „christlichen Demokratie“, die sich unumwunden zu Umsturzabsichten 
bekennt, die wenig geeignet sind, die Massen vor „den Gefahren des 
Sozialismus und der Anarchie“" zu schützen, wie das Kirchenoberhaupt es 
wünscht. Ueber diese für Italien peinliche Lage werden Sie öfter Gelegen- 
heit haben zu reden; gut wird es sein, wenn sowohl die Regierung, bei 
der Sie beglaubigt sind, wie die hervorragenden Persönlichkeiten, die an 
unseren Zuständen Anteil nehmen, erfahren, daß zwar in den schmerzlichen 
Augenblicken eines sinnlosen Aufstandes sehr viele Vereine aufgelöst werden 
mußten, darunter auch zahlreiche katholische, daß aber die Präfekten er- 
mächtigt worden sind, alsbald nach der Wiederherstellung der Ordnung
	        
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