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und Ruhe die Neubildung aller der Politik fernbleibenden Vereine zu ge-
statten, namentlich derjenigen mit wohlthätigen und Unterstützungszwecken.
Die italienische Regierung hat nicht nötig, zu erklären, daß der heilige
Stuhl weder der „notwendigen Unabhängigkeit“ noch der „vollen Freiheit"
ermangelt. Die Regierungen aller Nationen sind davon unterrichtet und
als Zeugen können ihre Vertreter in Rom dienen, die sicherlich zu allererst
sich über die vermeintliche „Unterdrückung des Papsttums“ gewundert haben.
Einen neuen Beweis für die volle und ganze Freiheit des Papstes liefert
übrigens das hier berührte Rundschreiben selber. Der Papst verlangt mit
vollem Rechte, daß die italienischen Katholiken „der Kirche und ihrem
Oberhaupte ergeben“ seien; aber weit entfernt, sie auch zur Ergebenheit
gegen ihren König und ihr Vaterland aufzufordern, erklärt er trotz den
„schmerzlichen Vorfällen, die ihm im Innersten weh gethan haben“, daß
die Katholiken „den gegenwärtigen Stand der Dinge über sich ergehen
lassen", aber „nicht im stande sein werden, ihn anzuerkennen, zu stützen
und zu fördern, ohne ihre heiligsten Pflichten zu verletzen“. Einen
stärkeren Beweis für die unbeschränkte Freiheit des Papstes, heißt es zum
Schluß, dürfte es nicht geben. Jedwede Auslegung ist überflüssig, denn
Ew. Exzellenz wissen zu gut, daß keine andere gesittete Regierung dulden
würde, daß die kirchlichen Oberen einen derartigen Druck ausübten, um
den Staatsbürgern die Erfüllung ihrer Pflichten gegen das Staatsoberhaupt
und das Vaterland zu verwehren.
September. Die italienische Regierung richtet an die diplo-
matischen Vertreter Italiens bei den Mächten eine Note, um eine
internationale Konferenz zur Bekämpfung der Anarchisten herbei-
zuführen.
Die Note, die am 6. Oktober veröffentlicht wird, lautet: Die Re-
gierungen finden sich seit mehreren Jahren bei der Ausführung der ihnen
obliegenden Aufgabe, für die Sicherheit des Staates und der Bürger zu
sorgen, einer Thatsache gegenüber, deren Ernst ein ganz besonderer ist und
die ihre Aufmerksamkeit und Sorge in höchstem Grade in Anspruch nimmt.
In allen Ländern machen die Behörden aufmerksam auf das Vorhandensein
einer mehr oder weniger zahlreichen Klasse von Menschen mit entarteten
Grundsätzen, deren Bestrebungen und deren Verbrechen, wie offen zugegeben
wird, nur das Ziel haben, die Grundlagen, auf denen die gegenwärtige
Gesellschaftsordnung ruht, zu untergraben und diese Ordnung vollständig
umzustürzen. Diese überspannten Menschen, die vor keinem Attentat, und
sei es noch so scheußlich und wahnwitzig, zurückschrecken, sprechen öffentlich
Prinzipien aus, die sie selbst anarchistische Prinzipien nennen, und die fie
auf ihren Wanderungen durch ganz Europa verbreiten. Sie werden bei
dieser Propaganda von einer geheimen Presse unterstützt, welche unaufhörlich
zu jeder Gewaltthat auffordert, und welche die abscheulichsten Verbrechen
rühmt und preist als die wirksamsten Mittel, den der ganzen Gesellschaft
erklärten Krieg bis zum Aeußersten fortzuführen. Die Regierungen haben
sich bisher bemüht, durch genaue Anwendung der bestehenden Gesetze und
in einigen Fällen durch Ausnahmemaßregeln der Verbreitung dieser ver-
brecherischen Theorien so viel als möglich Einhalt zu thun. Es hat sich
indessen gezeigt, daß diese Bemühungen, da sie nur vereinzelt geblieben,
nicht wirksam genug gewesen sind, das Uebel zu bezwingen und Herr der
Schliche zu werden, mit denen die Anarchisten aller Länder sich zu ver-
ständigen, sich beizustehen und sich zu organisieren suchen, was ihnen zu-
weilen auch gelingt. Es scheint sich demnach für die Regierungen, welche