312 Niederlande. (September 5. 6.)
gab Mich Eure Liebe. Aus allen Teilen des Königreichs, von allen Ge-
sellschaftskreisen, von alt und jung empfing Ich jederzeit die rührendsten
Beweise von Ergebenheit. Nach dem Tode Meines geliebten Vaters wurde
die ganze Liebe zu Meinem Hanse auf Mich übertragen. Jetzt, wo Ich
bereit bin, die schwere Aufgabe, die Mich ruft, zu übernehmen, fühle Ich
Mich von Eurer Treue getragen. Empfanget Meinen Dank! Was Ich
bis jetzt erfahren, ließ in Mir einen unauslöschlichen Eindruck, und ist
Mir eine Bürgschaft für die Zukunft. Meine vielgeliebte Mutter, der
Ich unaussprechlich viel schulde, hat Mir ein großes und edles Vorbild
in der Erfüllung der Pflichten gegeben, welche Mir jetzt obliegen. Diesem
Vorbilde nachzukommen, wird das Ziel Meines Lebens sein. Mein Wunsch
ist, zu herrschen, wie man es von einer Königin aus dem Hause Oranien
erwartet, treu die Verfassung aufrecht zu erhalten, die Achtung für den
Namen und das Banner der Niederlande; mein Wunsch ist, mit Gerechtig-
keit über die Besitzungen und Kolonien in Ost und West zu herrschen und.
soweit es in Meinen Kräften steht, zur Vermehrung ihres materiellen und
geistigen Wohlbefindens beizutragen. Ich hoffe und erwarte, daß Mir
niemals Euer Aller Unterstützung fehlen wird, um welchen amtlichen oder
sozialen Stand es sich auch handeln möge, innerhalb oder außerhalb des
Königreichs. Indem Ich Mich Gott befehle und ihn bitte, Mir Kraft zu
verleihen, trete ich die Regierung an.
5. September. Feierlicher Einzug der Königin in Amsterdam.
6. September. (Amsterdam.) Die Königin leistet in der
Neuen Kirche den Eid auf die Verfassung. Sie hält folgende An-
sprache:
Meine Herren Mitglieder der Generalstaaten! Nach dem Tode
Meines unvergeßlichen Vaters und nach der gesegneten Regierungszeit
Meiner Mutter, bis Meine 18 Jahre vollendet waren, habe Ich nunmehr
die Regierung angetreten, wie Ich es in einer Proklamation zur Kenntnis
Meines vielgeliebten Volkes gebracht habe. Jetzt ist die Stunde gekommen,
wo Ich inmitten Meiner getreuen Generalstaaten und unter Anrufung
des heiligen Namen Gotites Mich dem niederländischen Volke verpflichten
werde, seine Rechte und Freiheiten aufrecht zu erhalten. Fester knüpfe Ich
heute das feierliche Band, das zwischen Mir und Meinem Volke besteht.
Die sehr alte Verbindung zwischen Niederland und Oranien ist aufs neue
bekräftigt. Schön ist Mein Beruf, schön Meine Aufgabe. Ich bin glück-
lich und dankbar, das niederländische Volk regieren zu dürfen. Ein Volk,
klein an Zahl, aber groß durch Kraft und Charakter. Ich halte es für
ein Vorrecht und eine willkommene Pflicht, alle Meine Kräfte dem Ge-
deihen und dem Wohlergehen unseres Vaterlandes zu weihen. Oranien
kann nie, ja nie genug thun für Niederland. Ich bedarf Ihrer Unter-
stützung und Ihrer Mitarbeit; Ich bin überzeugt, daß Sie Mir dieselbe
leihen werden, damit wir zusammen für die Ehre und die Wohlfahrt
unseres niederländischen Volkes arbeiten mögen. Das sei das Ziel unseres
Lebens. Gott segne Ihre und Meine Arbeit zum Heile des Vaterlandes. —
Der Eid lautet: Ich schwöre dem niederländischen Volke, daß Ich die
Verfassung stets schützen und aufrechterhalten werde! Ich schwöre, daß ich
mit allen Meinen Kräften die Unabhängigkeit und das Gebiet des Reiches
verteidigen und aufrechterhalten werde, daß ich die allgemeine und die
private Freiheit sowie die Rechte aller Meiner Unterthanen schützen werde
und daß Ich, um das allgemeine Wohl und das Wohl des Einzelnen
aufrechtzuerhalten und zu heben, alle Mir gesetzlich zu Gebote stehenden