Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

Rußland. (April 7.) 321 
und natürliche Folge der zwischen den beiden großen Reichen, deren Be— 
strebungen zum Besten ihrer Völker darauf gerichtet sein müssen, auf der 
ganzen, ungeheuren Strecke ihrer Grenzbesitzungen die Ruhe aufrecht- 
zuerhalten, bestehenden freundschaftlichen Beziehungen. Die Thatsache, daß 
Häfen und Ländereien eines befreundeten Staates von russischen Streit- 
kräften friedlich besetzt werden, beweist in evidentester Weise, daß die 
chinesische Regierung die wahre Tragweite dieses Abkommens wohl zu 
würdigen gewußt hat. Unter Wahrung der Integrität der Souveränetäts- 
rechte Chinas und in Befriedigung der unerläßlichen Bedürfnisse Rußlands 
als Grenzmacht berührt dieses Abkommen die Interessen keines Staates, 
sondern gibt im Gegenteil allen Bölkern der Erde die Möglichkeit, in naher 
Zukunft mit den Küstengegenden des Gelben Meeres, die ihnen bisher ver- 
schlossen waren, in Verbindung zu treten. Die Eröffnung des Hafens von 
Talienwan für die Handelsschiffe aller Nationen wird für den Handel und 
die Industrie einen neuen, sehr ausgebreiteten Markt im äußersten Osten 
schaffen dank der großen transsibirischen Eisenbahnlinie, die infolge des 
zwischen Rußland und China getroffenen Uebereinkommens berufen sein 
wird, in Zukunft die äußersten Punkte der beiden Kontinente der alten 
Welt zu verbinden. Das in Peking unterzeichnete Uebereinkommen hat 
also für Rußland einen hohen historischen Wert und muß für alle die, 
welchen die Wohlthaten des Friedens und die Entwickelung der guten Be- 
ziehungen unter den Völkern am Herzen liegen, als ein glückliches Ereignis 
aufgenommen werden. 
Zugleich wird folgende Note des Ministers des Auswärtigen, 
Murawijew, an die Vertreter Rußlands im Auslande veröffentlicht. 
In Gemäßheit der Uebereinkunft vom 15./27. März, die in Peking 
zwischen dem Vertreter Rußlands und den zu diesem Zwecke mit den 
nötigen Vollmachten versehenen Mitgliedern des Tsung-li-Yamen ab- 
geschlossen wurde, sind Port Arthur und Talienwan ebenso wie die an- 
liegenden Gebiete Rußland zur Nutznießung von der chinesischen Regierung 
abgetreten worden. Sie werden ersucht, dies der Regierung, bei welcher 
Sie beglaubigt sind, zu notifizieren mit dem Hinzufügen, daß obenerwähnte 
Häfen und Territorien unverzüglich durch Truppen Sr. Majestät des 
Kaisers, unseres erhabenen Herrn, besetzt und daß die russische Flagge 
neben der chinesischen Flagge gehißt werden wird. Sie können gleichzeitig 
den Minister der auswärtigen Angelegenheiten davon unterrichten, daß der 
Hafen von Talienwan für den fremden Handel offen sein wird und daß 
die Schiffe aller befreundeten Nationen daselbst die weitgehendste Gast- 
freundschaft finden werden. 
7. April. Der „Regierungsbote“ veröffentlicht einen Depeschen- 
wechsel zwischen dem Minister des Auswärtigen und dem Geschäfts- 
träger in Peking über Begrüßungen zwischen dem Zaren und dem 
Kaiser von China. 
Graf Murawiew telegraphiert an den Geschäftsträger in Peking 
(27. März): Auf Allerhöchsten Befehl wird Ihnen aufgetragen, an den 
Kaiser von China nachstehende Begrüßung zu übermitteln: Mit aufrichtigem 
Vergnügen vernahmen Wir von Unserem Bevollmächtigten den weisen 
Entschluß Eurer Majestät, wonach den Ministern des Tsung-li-Yamen an- 
befohlen wird, das Abkommen zu unterschreiben, durch welches die Häfen 
Port Arthur und Talienwan mit entsprechendem Territorium und Wasser- 
gebiet zur Benutzung an Rußland abgetreten werden, gleichwie auch eine 
Europäischer Geschichtskalender. Bd. XXXIX. 21
	        
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