Rußland. (September 19.) 327
daß dieses erhabene Endziel den wesentlichsten Interessen und den berech-
tigten Wünschen aller Mächte entspricht, glaubt die kaiserliche Regierung,
daß der gegenwärtige Augenblick äußerst günstig dazu sei, auf dem Wege
internationaler Beratung die wirksamsten Mittel zu suchen, um allen Völ-
kern die Wohlthaten wahren und dauernden Friedens zu sichern und vor
allem der fortschreitenden Entwicklung der gegenwärtigen Rüstungen ein
Ziel zu setzen.
Im Verlaufe der letzten zwanzig Jahre hat der Wunsch nach einer
allgemeinen Beruhigung in dem Empfinden der gesitteten Nationen besonders
festen Fuß gefaßt. Die Erhaltung des Friedens ist als Endziel der inter-
nationalen Politik aufgestellt worden. Im Namen des Friedens haben
große Staaten mächtige Bündnisse miteinander geschlossen. Um den Frieden
besser zu wahren, haben sie in bisher unbekanntem Grade ihre Militär-
macht entwickelt und fahren fort, sie zu verstärken, ohne vor irgendeinem
Opfer zurückzuschrecken.
Alle ihre Bemühungen haben dennoch noch nicht das segensreiche
Ergebnis der ersehnten Friedensstiftung zeitigen können. Da die finanziellen
Lasten eine steigende Richtung verfolgen und die Volkswohlfahrt an ihrer
Wurzel treffen, so werden die geistigen und physischen Kräfte der Völker,
die Arbeit und das Kapital zum großen Teile von ihrer natürlichen Be-
stimmung abgelenkt und in unproduktiver Weise aufgezehrt. Hunderte von
Millionen werden aufgewendet, um furchtbare Zerstörungsmaschinen zu be-
schaffen, die heute als das letzte Wort der Wissenschaft betrachtet werden
und schon morgen dazu verurteilt sind, jeden Wert zu verlieren infolge
irgendeiner neuen Entdeckung auf diesem Gebiet. Die nationale Kultur,
der wirtschaftliche Fortschritt, die Erzeugung von Werten sehen sich in ihrer
Entwicklung gelähmt und irregeführt. Daher entsprechen in dem Maße,
wie die Rüstungen einer jeden Macht anwachsen, diese immer weniger und
weniger dem Zweck, den sich die betreffende Regierung gesetzt hat. Die
wirtschaftlichen Krisen sind zum großen Teil hervorgerufen durch das System
der Rüstungen bis aufs äußerste, und die ständige Gefahr, welche in dieser
Kriegestoffansammlung ruht, machen die Heere unserer Tage zu einer er-
drückenden Last, welche die Völker mehr und mehr nur mit Mühe tragen
können. Es ist deshalb klar, daß, wenn diese Lage sich noch weiter so hin-
zieht, sie in verhängnisvoller Weise zu eben der Katastrophe führen werde,
welche man zu vermeiden wünscht und deren Schrecken jeden Menschen schon
beim bloßen Gedanken schaudern machen.
Diesen unaufhörlichen Rüstungen ein Ziel zu setzen und die Mittel
zu suchen, dem Unheil vorzubeugen, das die ganze Welt bedroht, das ist
die höchste Pflicht, welche sich heutzutage allen Staaten aufzwingt. Durch-
drungen von diesem Gefühl, hat Se. Majestät geruht, mir zu befehlen, daß
ich allen Regierungen, deren Vertreter am kaiserlichen Hofe beglaubigt sind,
den Zusammentritt einer Konferenz vorschlage, welche sich mit dieser ernsten
Frage zu beschäftigen hätte. Diese Konferenz würde mit Gottes Hilfe ein
günstiges Vorzeichen des kommenden Jahrhunderts sein. Sie würde in
einem mächtigen Bündel die Bestrebungen aller Staaten vereinigen, welche
aufrichtig darum bemüht sind, den großen Gedanken des Weltfriedens
triumphieren zu lassen über alle Elemente des Unfriedens und der Zwie-
tracht. Sie würde zugleich ihr Zusammengehen besiegeln durch eine soli-
darische Weihe der Grundsätze des Rechts und der Gerechtigkeit, auf denen
die Sicherheit der Staaten und die Wohlfahrt der Völker beruht."
19. September. (Ostseeküste.) Während einer Sturmflut
ertrinken zwischen Libau und Polangen über 100 Fischer.