Rußland. (Dezember 23. 31.) 329
Behufs Durchführung der Aufgabe, welche die Mächte sich zur end-
gültigen Lösung der kretischen Frage gestellt haben, war es notwendig, so-
sort für die solide Einbürgerung einer zentralen Administrativgewalt auf
der Insel zu sorgen. Da die endgültige Einigung der Mächte wegen der
Wahl der Persönlichkeit für den Generalgouverneursposten noch nicht statt-
gefunden hat und jedenfalls die vorherige Bestätigung des Sultans auf
Grund der ihm zuerkannten Suzeränetätsrechte erfordert, die Lage der Dinge
auf der Insel indessen eilige Maßnahmen erheischte, faßten die Mächte auf
die Initiative der kaiserlichen Regierung den einmütigen Entschluß, den
Prinzen Georg von Griechenland zu bitten, die Bürde des obersten Kom-
missars von Kreta anzunehmen, welcher von den Mächten zur Herstellung
der Verwaltung der Insel auf Grund der Autonomiegrundsätze, die voriges
Jahr durch die Botschafter in Konstantinopel ausgearbeitet wurden, bevoll-
mächtigt ist. Infolgedessen säumten die Vertreter Rußlands, Frankreichs,
Italiens und Englands in Athen nicht, im Auftrage ihrer Regierungen
den König der Hellenen zu ersuchen, dem Prinzen Georg zu gestatten, die
Würde unter nachstehenden Hauptbedingungen anzunehmen: Der oberste
Kommissar erhält eine temporäre Vollmacht auf drei Jahre zur Pazifizierung
Kretas und zur Organisation der Verwaltung der Insel. Der Kommissar
erkennt die Souveränetätsrechte des Sultans auf Kreta an. Seine erste
Sorge wird sein, im Einvernehmen mit der Volksversammlung die auto-
nome Verwaltung herzustellen, welche die Sicherheit der Person und des
Eigentums garantieren soll, gleichwie die religiöse Freiheit aller Kreter
ohne Unterschied der Konfession. Er hat sofort zur Gründung der Gen-
darmerie oder der lokalen Miliz zu schreiten, welche die Ordnung auf der
Insel bewahren soll. Für die anfängliche Organisation der Verwaltung
der Insel weisen die vier Mächte die erforderlichen Mittel an.
23. Dezember. Der „Russ. Invalide“ kündigt die Erhöhung
der Offiziersgehälter an:
Bald nach seiner Thronbesteigung sprach der Zar, von der Not-
wendigkeit der Aufbesserung der Verhältnisse des russischen Offizierkorps
durchdrungen, den Wunsch aus, der Frage näher zu treten. Die zu diesem
Zweck eingesetzte Kommission hat beschlossen, den verfügbaren Mitteln ge-
mäß zunächst, von Mitte des Jahres 1899 ab, 11000000 Rubel zur Er-
höhung der Gehälter aller in der Front stehenden Offiziere zu verwenden;
und zwar 6 Prozent dieser Summe zur Erhöhung der Gehälter vom
Regimentskommandeur aufwärts und 94 Prozent für die Chargen vom
Regimentskommandeur abwärts, so daß das niedrigste Gehalt eines Sekond-
leutnants fortan 660 Rubel beträgt. Eine Erhöhung der Gehälter der
nicht in der Front stehenden Offiziere ist für das Jahr 1900 in Aussicht
genommen.
Ende Dezember. (Finnland.) Die Zensurbehörde befiehlt
den Blättern, künftighin sich jeder Erörterung der Maßnahmen der
Regierung und namentlich des Kriegsministeriums zu enthalten.
31. Dezember. (Petersburg.) Die medizinische Militär-
Akademie feiert ihr hundertjähriges Bestehen. Der Deutsche Kaiser
sendet folgende Begrüßung an den Zaren aus diesem Anlaß:
Mein Herr Bruder!
Die Hundertjahrfeier der medizinischen Militärakademie in St. Peters-
burg, der Pflanzstätte, welche Rußland so viele berühmte Männer gegeben