Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

332 Türkei. (Februar—Mitte Mai.) 
anknüpfte und das wohl schwerlich ernst zu nehmen war, trat Rußland 
mit drei Kandidaten hervor, von denen indes bald der montenegrinische 
Wojwode Petrowitsch als der eigentliche Favorit Rußlands angesehen 
wurde und deshalb auch zunächst allein in Frage kam. Für ihn wurde 
thatsächlich die Zustimmung aller Mächte erzielt; er selbst zeigte sich nicht 
abgeneigt, und auch die Kretenser hätten, wie ihre Kundgebung in den 
letzten Tagen gezeigt hat, diesen Gouverneur wohl angenommen. Allein 
das Verbot seines Fürsten, dessen eigentliche Beweggründe noch heute un- 
klar sind, hat auch dieser Bewerbung ein unerwartetes Ende bereitet. Und 
nun hat Rußland den Vorschlag gemacht, den Prinzen Georg von Griechen- 
land, den jüngeren Bruder des Kronprinzen, den Flottenkommandanten bei 
der griechischen Expedition nach Kreta und während des Krieges mit der 
Türkei, zum Gouverneur von Kreta zu machen. 
Februar. März. Die Pforte, Bulgarien und die Mächte. 
Die bulgarische Regierung erhebt schwere Anklagen gegen die Pforte 
wegen Mißhandlung der bulgarischen Bevölkerung in Makedonien durch 
die türkischen Behörden. — Die européischen Botschafter senden eine Unter- 
suchungskommission nach Makedonien, durch welche die bulgarischen Be- 
schwerden als übertrieben und das türkische Vorgehen als durch bulgarische 
Umtriebe gegen die Pforte hervorgerufen nachgewiesen wird. 
16. März. (Kreta.) Die deutsche Mannschaft verläßt Kreta, 
die „Oldenburg“ geht nach Messina. 
5. April. Der Sultan erklärt in einem Zirkular an die 
Mächte, es sei ihm unmöglich, einen fremden Unterthanen als 
Gouverneur von Kreta anzunehmen. 
Mitte April. (Kreta.) Die Admirale teilen die Insel zur 
besseren Uberwachung in vier Bezirke. Der Westen wird den 
Italienern anvertraut, Sitia und Hierapetra den Franzosen, Kandia 
den Engländern und Retimo den Russen. Kanea und die Suda- 
Bai erhalten internationale Besatzung. 
Mai. Unterhandlung mit den Mächten über die Räumung 
Thessaliens. 
Die Großmächte richten eine Note an die Pforte, worin es heißt: 
Die Mächte erachten die Bedingungen des Art. 2 der Friedenspräliminarien 
für erfüllt. Infolge der Festsetzung des Zeitpunktes der Veröffentlichung 
der Kriegsanleihe durch die internationale Kommission muß die Räumung 
Thessaliens im Verlauf eines Monats vom gegenwärtigen Augenblick ab 
ausgeführt werden. Die Zahlungen der Kriegsentschädigung erfolgen: eine 
Million türkische Pfund am 15. Mai, eine Million am 25. Mai, eine 
Million am 10. Juni und eine Million am 10. Juli. Vor Beginn der 
Räumungsoperationen wird keine Zahlung geleistet. Die beiden letzten 
RNaten werden erst nach beendeter Räumung bezahlt. Die Pforte ant- 
wortet, sie nehme von den Bedingungen für die Räumung Thessaliens 
Kenntnis. Es werden Schiffe zur Zurückbeförderung der Truppen nach 
Volo entsandt. Zugleich werden die Mächte ersucht, die Zahlung der 
Kriegsentschädigungsraten durch die Ottomanbank zu veranlassen Endlich 
erinnert die Pforte unter Hinweis auf ihre im Kriege bewiesene Mäßigung 
die Mächte an ihr Versprechen, die Integrität der Türkei, sowie die Sou-
	        
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