Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

Tũrkei. (Oktober 29.) 335 
Im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen 
Geistes. Amen! In Jerusalem, der Stadt Gottes, da, wo unser Herr 
und Heiland, Jesus Christus, durch Sein bitteres Leiden und Sterben und 
Seine sieghafte Auferstehung das Werk der Erlösung vollbracht hat, auch 
der Kirche der Reformation eine bleibende Stätte zu bereiten, war schon 
lange das Streben Meiner in Gott ruhenden Vorfahren, auf daß auch 
Deutschlands evangelische Kirche da nicht fehle, wo die Christen aller Be- 
kenntnisse für die Gnadenthat der Erlösung Dank opfern. Nachdem schon 
des Königs Friedrich Wilhelm IV. Majestät nach der heiligen Stadt die 
Augen gerichtet und in ihr dem evangelischen Glauben Raum zu schaffen 
Sorge getragen hatte, war es Meines in Gott ruhenden Herrn Großvaters, 
des Kaisers und Königs Wilhelm des Großen Majestät, Herzenswunsch, 
auf dem durch die Liebesarbeit des Johanniterordens geweihten Platz, 
welchen Mein in Gott ruhender Herr Vater, des Kaisers und Königs 
Friedrichs III. Majestät, auf der Pilgerfahrt zum heiligen Grabe als hoch- 
herziges Geschenk des Landesherrn einst in Besitz genommen, eine evan- 
gelische Kirche zu errichten, damit in ihr das Wort Gottes auf dem 
Glaubensgrunde der Neformation in deutscher Sprache gepredigt und der 
Name Jesu Christi in deutscher Zunge gepriesen werde. Gottes Gnade hat 
es Mir, dem Deutschen Kaiser und Könige von Preußen Wilhelm II. ver- 
liehen, das von Meinen Vorfahren begonnene Werk zu vollenden und heute 
am Gedächtnistage der gesegneten Reformation, im Beisein Meiner teuren 
Gemahlin, der Allerdurchlauchtigsten Kaiserin und Königin Auguste Vik- 
toria, umgeben von den Vertretern der evangelischen Christenheit und ge- 
tragen von ihren Gebeten, die Einweihung der Kirche zu vollziehen. Die 
Kirche soll den Namen Erlöserkirche führen, damit kund werde, daß Ich 
und alle, die mit Mir in dem Werke der Reformation ein Gnadenwerk 
Gottes erkennen und dankbar daran festhalten, zu Jesu Christo dem Ge- 
kreuzigten und wahrhaftig Auferstandenen, als zu unserem einigen Erlöser 
ausschauen und allein durch den Glauben an ihn gerecht und selig zu 
werden hoffen. Zugleich aber soll diese Kirche, die sich an der Stelle er- 
hebt, wo einst die Johanniter unter dem Kreuz ihre Liebesarbeit gethan, 
davon Zeugnis geben, daß Glauben und Liebe unzertrennlich sind und in 
Christo Jesu nichts gilt als nur der Glaube, der durch die Liebe thätig 
ist. Dankerfüllten Herzens bitten Wir Gott, Er wolle Sein seligmachendes 
Wort allezeit erhalten und verleihen, daß es hier und aller Orten lauter 
und rein gepredigt werde und viel Frucht der Liebe schaffe, damit Sein 
Name geheiligt werde, Sein Reich komme, Sein WMille geschehe, Er wolle 
unsere teure evangelische Kirche bauen und schirmen und unser deutsches 
Vaterland segnen aus der Fülle Seiner Gnade. Von dem Jerusalem hier 
unten heben wir unsere Augen auf zu dem Jerusalem, das droben ist. 
Der Herr und Erlöser der Welt verleihe uns allen, die gläubig zu Ihm 
beten, im Glauben und brünstiger Liebe also zu wandeln, daß wir dereinst 
eingehen in die obere Gottesstadt, dort Ihm zu danken und Ihn zu preisen 
in Ewigkeit. 
Auf die Ansprache des Kultusministers Dr. Bosse erwidert 
der Kaiser: 
Er danke aufrichtig für die vom Minister ausgesprochenen treuen 
Gesinnungen, es sei für ihn eine besondere Freude, die Einweihung der 
Erlöserkirche der evangelischen Gemeinde feiern zu können, er verdanke dies 
der wohlwollenden Gesinnung Seiner Majestät des Sultans, sowie seinem 
Hochseligen Herrn Großvater und seinem in Gott ruhenden Vater, welcher 
doch schließlich den Ausschlag gegeben habe. Mit bloßen Reden sei im
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.