358 Nordamerika. (Tezember 5.)
5. Dezember. (Washington.) Der Präsident Mac Kinley
eröffnet den Kongreß mit folgender Botschaft.
Trotz der durch den Krieg erforderlich gewordenen Erhöhung der
Lasten erfreue das Land sich eines sehr befriedigenden, ständig wachsenden
Wohlstandes, der sich in dem Geschäftsumfang darthue, der den nachweis-
lich höchsten Stand erreichte. Die von dem Kongreß angenommene Ein-
kommensgesetzgebung habe die Einnahmen des Staatsschatzes bis zu dem
vorher geschätzten Betrage erhöht. Der Präsident betont, daß es Spanien
nicht gelungen sei, aus Kuba den Frieden herzustellen, und gedenkt der Zer-
störung der „Maine“, während dieses Schiff sich in Ausführung einer inter-
nationalen Höflichkeitsmission befand. Diese Katastrophe habe das Herz der
Nation tief erregt, deren guter Sinn jedoch den plötzlichen verzweifelten
Entschluß verhinderte, nicht länger das Bestehen einer Gefahr und Unord-
nung zu dulden, die eine solche That möglich machten, und es der Nation
eingab, das Ergebnis der Untersuchung des Marineamtes abzuwarten. Das
Widerstreben, einen unnötigen Verlust an Menschenleben und Eigentum zu
verursachen, habe eine frühzeitige Erstürmung Manilas verhindert. Der
Präsident gedenkt sodann der Behandlung, die Admiral Cervera Leutnant
Hobson zu teil werden ließ, und bezeichnet dies als einen erfreulichen Vor-
fall. Nachdem der Präsident festgestellt hat, daß die Räumung Kubas nicht
vor dem 1. Januar beendet sein könne, fügt er hinzu, er verschiebe die Er-
örterung über die Frage der Verwaltung der neuen Besitzungen bis nach
der Ratifikation des Friedensvertrages; inzwischen werde die gegenwärtige
Militärherrschaft bestehen bleiben, bis Ruhe und eine ständige Verwaltung
hergestellt seien. Der Präsident betont sodann die Notwendigkeit, engere
wechselseitige Handelsbeziehungen mit den Kubanern zu unterhalten, ihre
Industrie zu ermutigen und ihnen beizustehen bei dem Bemühen, eine freie,
unabhängige Regierung zu bilden, die im stande ist, alle internationalen
Verpflichtungen zu erfüllen und den Frieden unter allen Bewohnern der
Insel zu fördern. Sodann heißt es weiter, der Bericht der Nicaragua-
kommission werde in kurzer Zeit dem Kongreß unterbreitet werden. In Er-
wägung, daß eine Konzession von seiten Nicaraguas und Costaricas an die
Kanalgesellschaft besteht, und angesichts der mit dem voraussichtlichen Auf-
hören der bestehenden Verträge begründeten Anträge, welche von anderen
Parteien hinsichtlich einer neuen Konzession gemacht seien, erklärt Mac Kinley,
daß Erwägungen der Zweckmäßigkeit und der internationalen Politik mit
Rücksicht auf die verschiedenen an dem Bau und der Verwaltung des inter-
ozeanischen Kanals interessierten Regierungen die Aufrechterhaltung des
status qduo erforderlich machten, bis die Kanalkommission ihren Bericht
vorgelegt und der Kongreß endgültig die ganze Angelegenheit erledigt habe.
Der Präsident stellt anheim, die Aktion in der gegenwärtigen Session zu
Ende zu bringen, denn der Bau des Kanals sei jetzt mehr denn je unauf-
schiebbar und seine Verwaltung durch die Vereinigten Staaten sei mehr
denn je geboten. Die Botschaft fährt fort, die Vereinigten Staaten seien
kein gleichgültiger Zuschauer bei den außerordentlichen Ereignissen in China
geblieben, durch welche Teile von Chinas Seeprovinzen unter die Verwal-
tung verschiedener europäischer Mächte gekommen seien. Aber die Rechte der
amerikanischen Staatsbürger und der Bedarf an Hauptprodukten Amerikas.
der sich in jenen Gegenden herausgebildet habe, dürften nicht durch aus-
schließende Behandlung seitens der neuen Besitzer geschädigt werden; dies
ersparte dem Lande die Notwendigkeit, handelnd aufzutreten. Die Stellung
Amerikas unter den Nationen, die weite Küsten am Stillen Ozean haben
und beständig ihren direkten Handel nach dem fernen Orient ausdehnen,