Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 5.) 29
graphengebühren einen Zuschuß aus Reichsmitteln leisten müssen. Wir
haben 560,000 Kilometer Leitung gegenüber 370,000 Kilometer in Eng-
land. Dort werden 81 Millionen Telegramme befördert, bei uns 38 Mil-
lionen, und trotzdem muß auch England einen Zuschuß leisten. Die Ver-
waltung ist von dem Bestreben geleitet, allen Teilen der Bevölkerung den
Nutzen des Fernsprechens zu erschließen, der Erwägung näher getreten, durch
welche Betriebseinrichtungen sich das ermöglichen ließe. Die Erwägung er-
streckt sich hauptsächlich auf die Vereinfachung des Betriebes. Wir sollen
Klagen aus dem Lande nach Möglichkeit abhelfen. Wenn ich die Wünsche
des platten Landes allein berücksichtigen wollte, so müßte ich acht Millionen
Mark aufwenden. (Zwischenruf: Man los!) Ich muß doch erst dazu die
Mittel bewilligt erhalten. Die Verbesserung der Apparate bedingt auch
eine bessere Ausbildung des Personals. Ein Beamter, der den Morse-
Apparat bedienen kann, ist durchaus nicht im stande, den Hughes-Apparat
zu bedienen. Wir sind schon mit der Verbesserung der Apparate vorge-
gangen, z. B. auf der Linie Berlin —London mit dem Gegensprechen, wobei
der Hughes-Apparat verwendet wird. An eine Verschlechterung der Paket-
bestellung denkt wohl niemand im Lande. Die Vorlage an den Bundesrat
enthält tarifarische Bestimmungen. Als zweite in Angriff zu nehmende
Frage betrachte ich die des Zeitungstarifes; ich habe nur noch in dieser
Session um Aufschub gebeten. Die heutige Tarifgestaltung ist ungerecht.
Wir müssen die Häufigkeit des Erscheinens einer Zeitung, das zu befördernde
Gewicht und vielleicht auch die Frage, wieweit die Zeitungen Inserate ent-
halten, in Rechnung ziehen. Wir dürfen unsere Provinzpresse nicht tot-
drücken lassen durch die Berliner Presse. Im Anschlusse hieran hoffe ich
in der nächsten Session Ihnen eine Vorlage über das Telegraphen- und
Telephonwesen machen zu können. Als Schluß würde eine Reform des
Personalwesens zu betrachten sein, und dabei hoffe ich auf Ihre Unter-
tützung.
Abg. Graf Stolberg (kons.): Die Privatposten müßten ohne Ent-
schädigung abgeschafft werden. Abg. Singer (Soz.): Die Reformarbeit
gehe viel zu langsam, der Staatssekretär solle sie mit größerem Eifer be-
treiben. Die Privatposten seien der fiskalischen Postverwaltung gegenüber
notwendig. Abg. Hammacher (nl.): Die Thätigkeit der Privatposten sei
eine legitime gewerbliche Thätigkeit und könne nur gegen Entschädigung
abgeschafft werden.
5. Februar. (Reichstag.) Handelsvertrag mit dem Oranje-
freistaat. Kautionspflicht der Reichsbeamten. Vorlage über die
Novelle zum Brennereigesetz.
Das Haus genehmigt den Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen
dem Reich und dem Oranje-Freistaat, sowie den Gesetzentwurf wegen Auf-
hebung der Kautionspflicht der Reichsbeamten in erster und zweiter Lesung.
— Es folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs über die anderweitige
Festsetzung des Gesamtkontingents der Brennereien. Seine wichtigsten Be-
stimmungen sind folgende: Die Verbrauchsabgabe beträgt von einer nach
Maßgabe des folgenden Absatzes festzusetzenden Jahresmenge (Gesamtkon-
tingent) 0,50 ℳ für das Liter reinen Alkohols, von der darüber hinaus
hergestellten Menge 0,70 ℳ für das Liter reinen Alkohols. Das Gesamt-
kontingent wird zuerst im Brennereibetriebsjahre 1897/98 und demnächst
in jedem fünften Jahre für die folgenden fünf Betriebsjahre (Kontingents-
periode) nach dem Durchschnitt derjenigen Branntweinmengen festgesetzt, die
innerhalb der vorhergegangenen fünf Jahre in den verbrauchsabgabe-