Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

370 Alen. (Juli.) 
Anf. Juli. (Niederländisch= Indien.) Die IAtchinesen 
greifen Edi an, werden aber zurückgeschlagen. 
Anf. Juli. (China.) In Wutschau bricht ein großer Auf- 
stand aus; die Regierungstruppen werden geschlagen. 
Juli. (China.) Üüber die geplanten Eisenbahnbauten in 
China schreibt die „Münchener Allg. Ztg.“: 
Wenn wir im Norden beginnen, haben wir es 1. mit der rusfsfisch- 
sibirischen Eisenbahn zu thun, die durch die Mandschurei läuft und mit 
ihrem östlichen Zweig durch die Liaotung-Halbinsel Port Arthur, mit 
ihrem westlichen Zweig Peking erreichen wird. 2. Doch auch britische 
Kapitalisten haben einen Eisenbahnplan im äußersten Norden, wo Ruß- 
land sonst ausschließliche Rechte beansprucht. Die Hongkong-Schanghai- 
Bank hat nämlich die Erlaubnis zum Bau einer Eisenbahn erhalten, die 
um die Liaotung-Halbinsel nach Niutschuang laufen soll. 3. Uns nach 
Peking zuwendend, treffen wir auf das Unternehmen eines belgischen Syn- 
dikats, das eine Eisenbahnanlage südlich von Peking plant, und zwar durch 
Honan. wo das anglo-italienische Syndikat, das bekanntlich mit britischem 
elde arbeitet, Bergbaurechte erworben hat, nach Hankau, am Yangtse-Fluß 
gelegen, also gerade in das Herz des britischen Einflußgebiets. Nur ein 
geringer Teil dieser Bahn ist bis jetzt gebaut, und von der finanziell 
keineswegs wohlausgerüsteten belgischen Gesellschaft nimmt man in London 
an, daß sie einfach nur von Rußland vorgeschoben ist. 4. Wie die bri- 
tische Honkong-Schanghai-Bank ihren Wirkungskreis in das russische Ein- 
flußgebiet in Liaotung hinein erstreckt, so hat die russisch-chinesische Bank 
eine Konzession für den Bau einer Bahn von kTschinting westlich nach 
Tayuen-fu, der Hauptstadt von Schanfi, wo das anglo-italienische Syndikat 
ausgedehnte Bergbaurechte erworben hat und der britische Einfluß daher 
dominiert. 5. Deutsche Gesellschaften, denen ein Anlagekapital von 100 
bis 120 Millianen Mark zur Verfügung steht, haben Eisenbahnkonzessionen 
in der Provinz Schantung, die an die Provinz Schansi stößt. Aus diesem 
kurzen Abriß ergibt sich der Widerstreit der Interessen der verschiedenen 
Staaten. Der Konflikt kommt zunächst dadurch zum Ausdruck, daß Ruß- 
land Einspruch gegen die Bauerlaubnis erhebt, die der Hongkong-Schanghai- 
Bank auf Liaotung zur Fortsetzung der Schanghai-kuan-Bahn erteilt ist, 
und es fehlt nicht an Zeichen, daß der Tsungli-Yamen dem ruffischen 
Drucke schließlich ebenso nachgeben wird, wie er das bei der Anleihe that. 
Hier wünscht man, dem britischen Unternehmen eine Niederlage zu ersparen, 
und möchte daher gern einen Tauschhandel machen, derart, daß die Hong- 
kong-Schanghai-Bank auf ihre Konzession in Liaotung verzichtete, wenn 
die russisch-chinesische Bank das Gleiche mit der Tschinting-Tayuen-fu-Kon- 
zession in Schansi thäte. Es ist kaum anzunehmen, daß die Russen sich 
darauf einlassen werden, so lange sie Aussicht haben, die chinesische Regie- 
rung zur Zurückziehung der an die Honkong-Schanghai-Bank erteilten Kon- 
zession zu bewegen und damit dem britischen Ansehen in China einen neuen 
Schlag zu versetzen. Was die von dem belgischen Syndikat nach Hankau 
im Yangtsethal zu bauende Eisenbahn betrifft, so sucht man britischerseits, 
da der belgischen Gesellschaft keine der Größe des Unternehmens ent- 
sprechenden Kapitalien zur Verfügung stehen, die Bauerlaubnis in die 
Hände zu bekommen, aber hier bemühen sich, wie erwähnt, die Franzosen 
— offenbar im russischen Interesse — auch bereits, sich zu Herren der 
Lage zu machen. Dieser wechselseitig in die einzelnen Einflußgebiete ein-
	        
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