Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

30 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 5.) 
pflichtigen Inlandsverbrauch übergegangen sind. Uebersteigt in einem Be- 
triebsjahre die Menge des in Anrechnung auf das Kontingent zur Ab- 
fertigung gelangten Branntweins die Menge des gegen Entrichtung der 
Verbrauchsabgabe in den Inlandsverbrauch gelangten Branntweins, so ist 
das Gesamtkontingent für das nächstfolgende Betriebsjahr auf die zuletzt 
bezeichnete Branntweinmenge herabzusetzen. Der niedrigere Abgabesatz soll 
alle fünf Jahre einer Revision unterliegen. Von der zum niedrigeren Ab- 
gabensatze zugelassenen Jahresmenge Branntweins (Gesamtkontingent) wird 
der Anteil, der im Königreiche Bayern, im Königreiche Württemberg, im 
Großherzogtume Baden und in den Hohenzollernschen Landen hergestellt 
werden darf, in der Weise ermittelt, daß jedem der bezeichneten Staaten 
und Landesteile auf den Kopf seiner Bevölkerung zwei Drittel derjenigen 
Litermenge reinen Alkohols zugeteilt werden, die sich auf den Kopf der 
Gesamtbevölkerung der Branntweinsteuergemeinschaft ergibt, wenn das Ge- 
samtkontingent nach der Kopfzahl der letzteren verteilt wird. Bei den hie- 
nach erforderlichen Berechnungen sind die bei der jedesmaligen letzten 
Volkszählung ermittelten Bevölkerungsziffern zu Grunde zu legen. Die 
vorstehenden Bestimmungen können gegenüber den Königreichen Bayern und 
Württemberg und dem Großherzogtum Baden nur mit Zustimmung des 
betreffenden Staates abgeändert werden. Die Neubemessung des Gesamt- 
kontingents tritt mit dem 1. Oktober 1898 in Kraft, jedoch nur unter der 
Voraussetzung, daß bis dahin die Zustimmung der bayerischen, der württem- 
bergischen und der badischen Regierung zu der im Artikel Il enthaltenen 
Gesetzesänderung erfolgt ist. Eintretendenfalls wird durch den Reichs- 
Kanzler im Reichs-Gesetzblatt eine bezügliche Bekanntmachung erlassen. („Tägl. 
Rdsch.“) 
Schatzsekr. Dr. v. Thielmann: Die Vorlage bringt zwar eigentlich 
nichts Neues, d. h. sie stößt keines der Prinzipien der bestehenden Spiritus- 
steuer-Gesetzgebung um, wohl aber gestaltet sie eins der Hauptprinzipien 
der bestehenden Gesetzgebung neu, indem sie den Trinkverbrauch, der gegen- 
wärtig auf 4½ Liter angenommen war, für die Zukunft nicht mehr so hoch 
zu beziffern glaubt. Welche Gründe mitgewirkt haben, daß der Durst des 
deutschen Volks für Branntwein abgenommen hat, wird schwer zu sagen 
sein. Ich glaube, es ist eine Mehrheit von Gründen. Ob die Mäßigkeits- 
bestrebung dabei in erste Linie zu setzen sind, möchte ich bezweifeln. Auch 
hier tritt wieder der Antagonismus auf, der einerseits zwischen Brannt- 
wein und Bier und dann zwischen diesen beiden und auf der anderen Seite 
Kaffee, Thee und Zucker herrscht. Wo der Bierverbrauch zunimmt, schwindet 
der Branntweinverbrauch, und wo Kaffee und Thee, mit der nötigen Menge 
Zucker versüßt, in größeren Mengen genommen werden, gehen Bier und 
Branntwein zurück. Wir haben also mit der Thatsache zu rechnen, daß 
der durchschnittliche Verbrauch des deutschen Volkes an Branntwein, auf 
den Kopf berechnet, sich in neuerer Zeit im Rückgang befindet, und wir 
haben hieraus unsere weiteren Schlüsse zu ziehen. Der wichtigste Schluß 
den wir daraus zu ziehen haben, ist der, daß das Kontingent der zu dem 
niedrigeren Steuersatz zu versteuernden Spiritusmenge von der auf Grund 
der 4½ Liter berechneten Menge herabgesetzt werden muß auf dasjenige 
Maß, welches nach menschlicher Berechnung im Durchschnitt der Jahre 
wirklich getrunken wird. Es ist Ihnen bei früheren Beratungen unserer 
Steuergesetze schon oft von diesem Tische aus gesagt worden und, soweit 
mir bekannt, auch von seiten der Interessenten immer anerkannt worden, daß 
das einzige Mittel, dem 50ger Spiritus wirklich den dem Steuerunterschied 
entsprechenden Vorteil zu lassen, darin besteht, daß das Kontingent immer 
um eine Kleinigkeit hinter dem Trinkverbrauch zurückbleibt. Die Gründe
	        
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