372 Asien. (Ende September Oktober 20.)
Ferner verleiht der Kaiser jedem Chinesen das Recht, Bittschriften
an den Thron zu senden, während bisher nur die bevorzugten Klassen
dieses Recht besaßen. Die Bizekönige der Provinzen haben ferner monat-
lich über die Staatseinnahmen und -Ausgaben Bericht zu erstatten und es
sollen diese Berichte veröffentlicht werden. Auch sollen die kaiserlichen Ver-
ordnungen hinfort auf öffentlichen Plätzen im ganzen Lande angeschlagen
werden, damit das Volk einsieht, wie lebhaft der Kaiser bemüht ist, seine
Wohlfahrt zu fördern.
Am 7. September wird der Rußland freundlich gesinnte und den
Reformen abgeneigte Li Hung Tschang in Ungnade entlassen. — Die
Kaiserin-Mutter, die bisher die Regierung geleitet hatte, leistet Widerstand.
Am 16. und 17. September richtet der Kaiser folgende Briefe an Kang:
„Wir wissen, daß sich das Reich in wirren Zeiten befindet. Wenn
wir nicht westliche Methoden ergreifen, ist es nicht zu retten. Wenn wir
nicht die hemmenden konservativen Minister beseitigen und an deren Stelle
junge, intelligente Leute setzen, welche die westlichen Angelegenheiten kennen,
ist es unmöglich, Reformen durchzuführen. Doch die Kaiserin-Witwe wird
dazu nicht ihre Einstimmung geben. Ich habe Ihrer Majestät wiederholt
den Rat gegeben, aber sie wird wütend. Ich fürchte, ich werde meinen
Thron nicht schützen können. Sie erhalten hierdurch den Befehl, sich mit
Ihren Kollegen zu beraten, welchen Beistand Sie uns gewähren können,
um mich zu retten. Ich bin sehr besorgt und niedergeschlagen und erwarte
gespannt Ihren Bescheid.“
Das zweite Schreiben lautet:
„Ich habe Ihnen befohlen, die Gründung eines amtlichen Organz
zu leiten. Es ist sehr gegen meinen Wunsch. Ich bin voller Sorge, die
ich nicht mit Tinte und Feder beschreiben kann. Sie müssen sofort aus-
gehen und Mittel finden, um mich zu retten, ohne einen Augenblick Ver-
zug. Ihre Hingebung und Treue rührt mich sehr. Retten Sie sich selber.
Ich hoffe, daß Sie mir in kurzem wieder werden beistehen können in der
Reorganisation des Reiches, damit alles auf eine richtige Grundlage
kommt. Das ist mein Wunsch.“
Am 20. September läßt die Kaiserin-Mutter einige Gehilfen des
Kaisers verhaften und übernimmt thatsächlich die Regierung selbst. Kang
muß flüchten, und Li Hung Tschang wird wieder eingesetzt. Die Regie-
rungsänderung bringt das Gerücht hervor, der Kaiser sei ermordet, doch
wird dieses durch den Besuch des franzöfischen Gesandtschaftsarztes im Pa-
laste, der den Kaiser an der Bright'schen Nierenkrankheit leidend findet,
widerlegt (Mitte Oktober). — Die Reformedikte des Kaisers werden wider-
zufen (ende September). Der Sieg der Kaiserin-Witwe gilt als Niederlage
nglands.
Ende September. (China.) Infolge des Sieges der reform-
feindlichen Partei finden in Peking Angriffe auf Europäer und das
Gesandtschaftspersonal statt. — Die Großmächte beschweren sich in
einer Kollektivnote am 1. Oktober und landen Truppen zum Schutze
ihrer Gesandtschaften.
Mitte Oktober. (Philippinen.) Zusammenstöße zwischen
den Amerikanern und Tagalen bei Manila.
19./20. Oktober. (Niederländisch-Indien.) Kämpfe zwi-
schen Holländern und Atchinesen bei Matangkoli.