Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 5.) 31
dafür sind bei den früheren Beratungen so ausführlich und so bis in alle
Einzelheiten eingehend dargelegt worden, daß ich mich heute einer neuen
Darstellung dieser Gründe wohl entschlagen darf. Ich hoffe, daß deshalb
die Interessenten, die ja vornehmlich auf dieser rechten Seite des Haufes
sitzen, hierin nicht etwa eine Schmälerung oder Verkürzung ihrer Rechte
und der Vorteile des Kartoffelbaues ersehen wollen. Die Fassung der
jetzigen Vorlage ergibt sich vielmehr als eine Naturnotwendigkeit, mit der
kein Einziger geschädigt werden soll. Die andere Seite dieses hohen Hauses
hatte früher und auch wohl bis in die neueste Zeit unsere ganze Spiritus-
steuer-Gesetzgebung als ein System von Liebesgaben bezeichnet; es frägt sich
nur: was versteht man unter Liebesgaben? Soweit ich mich erinnere, kam
das Wort zuerst in Gebrauch in unseren Feldzügen, und Liebesgaben waren
die Gaben, die den Kriegern im Felde, die in Schnee und Eis vor Paris
und anderswo standen, zu ihrer Stärkung und Erquickung aus der Heimat
gesandt wurden. Wenn man das Wort Liebesgabe in diesem Sinne ge-
braucht, hat es für niemand etwas Verletzendes. Gebraucht man es in
einem anderen Sinne, so läßt sich darüber streiten; aber ich von meinem
Standpunkt aus möchte doch betonen, daß eine Gabe — ich brauche ruhig
das Wort „Gabe“ —, die den ärmeren Böden Deutschlands den rentablen
Bau der Kartoffel erlaubt, jedenfalls keine Liebesgabe in einem schlechten
oder unlauteren Sinn genannt werden kann. Wenn wir also diesen Grund-
satz festhalten, daß das Kontingent immer um eine Kleinigkeit hinter dem
wirklichen Trinkverbrauch zurückbleiben soll, so ergeben sich die übrigen
Bestimmungen dieses Gesetzes in Art. 2 und 3 von selber; namentlich was
Süddeutschland anbelangt, so ist die Ziffer von 2/3, die hier genannt wird,
genau dem Prinzip entsprechend, das der gegenwärtigen Gesetzgebung zu
Grunde liegt, nur daß es nicht mehr in der runden Zahl drei Liter aus-
gedrückt wird, sondern als 2/3 der Durchschnittsziffer bezeichnet wird. Selbst-
verständlich ist mit dieser Neuordnung des Kontingents eine Neuveranlag-
ung im einzelnen verbunden. Ueber diese Neuveranlagung jetzt hier bei
der ersten Lesung zu sprechen, wenigstens ausführlich zu sprechen, würde ich
kaum für ersprießlich halten. Es kommen da so unendlich viele einzelne
Fragen in Betracht, daß ich wohl meine, diese einzelnen Fragen könnten,
falls Sie eine Kommissionsberatung beschließen, der Kommission vorbe-
halten bleiben, und so, meine Herren, darf ich dem hohen Hause dieses Ge-
setz, das niemand zu Liebe und niemand zu Leide geschaffen werden soll,
zur wohlwollenden Beurteilung empfehlen.
Abg. Graf Stolberg-Wernigerode (kons.): Die Vorlage sei
notwendig, um den Kartoffelbau im Osten zu erhalten, ohne den eine gute
Kultur im Osten unmöglich sei. Abg. Barth (fr. Vg.): Die Vorlage ge-
währe der Landwirtschaft eine Liebesgabe von 20 ℳ für den Hektoliter
Branntwein. Mit dem Konsumrückgang ließe sich das nicht rechtfertigen,
dann könnte jeder Geschäftsmann denselben Anspruch erheben. Abg. Wurm
(Soz.): Die Vorlage sei ein offenes Eingeständnis dafür, daß den Brennern
eine Liebesgabe von jährlich 40 Millionen, also seit dem Bestehen des Ge-
setzes von mehr als 400 Millionen Mark gewährt worden sei. Die Be-
deutung der Brennerei für die Landwirtschaft sei nicht so hoch, wie die
Vorlage annehme. Abg. Paasche (nl.): Das Gesetz sei die notwendige
Folge des Branntweinsteuergesetzes. — Die Vorlage wird an eine Kom-
mission verwiesen.
5. Februar. (Berlin.) Die Einfuhr amerikanischen Obstes
u. s. w. wird zur Verhütung der Einschleppung der San José-
Schildlaus durch folgende kaiserliche Verordnung verboten: