398 Nebersicht der politischen Eutwickelung des Jahres 1898.
Balkan- Die Balkan halbinsel erfreute sich, abgesehen von einigen
* kleineren nationalen Kämpfen in Mazedonien und Albanien, der
Ruhe. Das im vorigen Jahre gedemütigte Griechenland feierte
durch die Ernennung des Prinzen Georg zum Gouverneur von
Kreta einen kleinen Triumph und bereitete sich vor, mit Hilfe des
auswärtigen Syndikats seine Finanzen zu ordnen. In Serbien
ist der Verfassungsstreit noch nicht beendet, und die Zukunft des
Landes hängt davon ab, ob die Armee der Dynastie Obrenowitsch
die Treue bewahren und zur weiteren Unterdrückung der stärksten
Partei des Landes, der Radikalen, durch den König die Hand
bieten wird. Bulgarien dokumentierte durch die Reise des Fürsten
nach Petersburg die vollständige Aussöhnung mit Rußland und
gewährte den noch in Rußland lebenden flüchtigen bulgarischen
Offizieren die Rückkehr in die Heimat und in die Armee. Im
Vertrauen auf die russische Freundschaft machte Bulgarien einige
diplomatische Vorstöße in Konstantinopel zu Gunsten der Bulgaren
in Mazedonien.
ber, In Nordamerika stand das öffentliche Leben ganz unter
Stacen dem Eindruck des Krieges mit Spanien. Der Krieg ist für die
Union von großer Bedeutung, da er sie vor ganz neue Aufgaben,
die Regierung großer Länder außerhalb des eigentlichen Unions-
gebietes, stellt. Es ist dadurch eine Verstärkung der Wehrkraft er-
forderlich, die vermutlich nicht ohne gänzliche Umgestaltung der
als unzureichend erkannten Kriegsverfassung zu erreichen sein wird.
Die Ansprüche an die militärische Leistungsfähigkeit werden um so
größer sein, als die befreiten Kubaner und Tagalen einer Ersetzung
der spanischen Oberherrschaft durch die amerikanische durchaus ab-
geneigt sind. Während der Belagerung von Santiago waren die
Beziehungen zu den kubanischen Insurgenten keineswegs kamerad-
schaftlich, und auf den Philippinen ist der Gegensatz zu den Ein-
geborenen noch stärker. Gegen Schluß des Jahres bereiteten sich
die Tagalen vor, den Amerikanern mit gewaffneter Hand gegen-
überzutreten. In Anmerika selbst existiert eine starke Partei
gegen die Expansionspolitik Mc. Kinleys, und es ist noch nicht
abzusehen, welche Aufnahme der Friedensvertrag im Senate
finden wird.