34 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 7.)
Lehrmittel und Einrichtungen. Es haben rednerisch und wissenschaftlich be-
gabte Privatdozenten schon vielfach die Kollegien berühmter Professoren ge-
sprengt. Die Bescheinigungen der Privatdozenten haben denselben Wert
wie die der Professoren. Daraus ergibt sich die ungemein große Bedeu-
tung des Privatdozententums, welches ein Vorstadium für die Professoren
ist. Daraus haben wir die unbestreitbare Berechnung gezogen, daß die
Disziplinarverhältnisse der Privatdozenten mit denen der Professoren mög-
lichst gleichgestaltet sein müssen. Wir wollen das Disziplinargesetz für die
Professoren auf die Privatdozenten ausdehnen mit gewissen, aus der Natur
der Sache sich ergebenden Abweichungen. In erster Instanz soll nicht der
Disziplinarhof, sondern die Fakultät entscheiden, die den Privatdozenten zu-
gelassen hat. Mir erscheint die ganze Konstruktion des Gesetzes so einfach
und natürlich, daß ich alles für selbstverständlich halte. Die zweite Instanz
sollen die ordentlichen Disziplinarbehörden und schließlich das Staatsmini-
sterium bilden. Ob man nicht an die Stelle des Staatsministeriums das
Oberverwaltungsgericht setzen könnten, ist auch erwogen worden, aber man
hat sich im Staatsministerium dagegen erklärt. Ich behalte mir vor, diese
Gründe in der Kommission oder in der zweiten Lesung eingehend vorzu-
tragen. Ich hatte gehofft, daß die Vorlage in den akademischen Kreisen
allgemeine Billigung finden würde. Darin habe ich mich getäuscht, nament-
lich in Bezug auf Berlin, wo man den Entwurf als Angriff auf die
Wissenschaft, als Exzeß der Bureaukratie, als ein Maulkorbgesetz bezeichnet
hat. Wir wollen den Universitäten nicht zu nahe treten, wir wollen ihnen
keine Schädigung zufügen. Ich habe alle Einwendungen gegen das Gesetz
ehrlich geprüft, aber keinen Grund gefunden, weshalb die Reform unter-
lassen werden müßte, den Privatdozenten eine gesicherte Rechtsstellung zu
geben, das war die eigentliche Achse, um die sich das ganze Gesetz dreht.
Man hat das als eine Finte bezeichnet, mit der der Minister seine böse
Absicht, die Wissenschaft zu unterdrücken, verdecken will. Dieser Einwand
ist so dumm und thöricht, daß ich dagegen nichts weiter sagen will. Daß
die Rechtslage der Privatdozenten nicht verschlechtert wird, diese Behaup-
tung halte ich aufrecht. Die Disziplinarverhältnisse sind nicht gesetzlich,
sondern einseitig durch Universitäts- und Fakultätsstatuten geregelt, die
jederzeit einseitig geändert werden können; das disziplinarische Vorgehen
ist in das willkürliche Ermessen der Disziplinarbehörden gelegt; es fehlt
auch der Schatten einer Vorschrift über das zu beobachtende Verfahren.
Gegen die Entscheidung der Fakultät fehlt es an jeder Berufung und an
einem geordneten Verfahren dafür. Ich hoffe, es wird gelingen, in einer
Kommission ein Einverständnis zu erzielen, damit der auf diesem Gebiete
des Universitätslebens herrschenden Verwirrung ein Ende gemacht wird.
Abg. v. Zedlitz (frk.): Die Vorlage sei notwendig, denn es sei
kein Zweifel, daß die Regierung das Recht haben müsse, Privatdozenten
zu entfernen. Sie sei auch notwendig für die Privatdozenten, um ihre
schwankenden Rechtsverhältnisse gegenüber der Willkür der Verwaltungs-
behörden gesetzlich zu fixieren. Abg. Virchow (fr. Vp.): Die Vorlage sei
nur gemacht, weil die Berliner philosophische Fakultät sich geweigert habe,
gegen einen sozialdemokratischen Privatdozenten, den Dr. Arons, einzu-
schreiten. Wenn Sie die Privatdozenten im wesentlichen beschränken wollen,
so schneiden Sie einen Teil der Wurzeln ab, aus denen unser ganzes ge-
lehrtes Leben seine Nahrung und sein Material zur weiteren Entwicklung
schöpft. Vor allen Dingen bitte ich, daß Sie mit Respekt vor dieser Ein-
richtung stehen bleiben, die das ganze deutsche Leben durchdrungen hat,
auf deren Entwicklung das beruht, was wir mit Stolz als den Ruhm der
deutschen Nation betrachten. Ich wünsche, daß nichts geschieht, was darin