Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

38 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 8.) 
gebessert und ausgerüstet, die Materialien und Vorräte dafür niedergelegt, 
sowie sonstige zugehörige Einrichtungen getroffen werden können, überläßt 
der deutschen Regierung pachtweise vorläufig auf 99 Jahre das auf beiden 
Seiten des Eingangs der Bai von Kiautschou in Süd-Shantung belegene, 
weiter unten näher bestimmte Gebiet, dergestalt, daß es der deutschen Re- 
gierung freistehen soll, innerhalb dieses Gebietes alle nötigen Baulichkeiten 
und Anlagen zu errichten und die zu deren Schutz erforderlichen Maß- 
nahmen zu treffen. 
Das der deutschen Regierung verpachtete Gebiet besteht, unter Zu- 
grundelegung der englischen Seekarte der Kiautschon-Bai vom Jahre 
1863, aus: 
1. der Landzunge nördlich des Eingangs der Bai, abgegrenzt gegen 
Nordosten durch eine von der nordöstlichen Spitze von Potato Island bis 
zur Meeresküste in der Richtung auf Loshan gezogene gerade Linie, 
2. der Landzunge südlich des Eingangs der Bai, abgegrenzt nach 
Südwesten durch eine vom südlichsten Punkte der südsüdwestlich von 
Tschiposan befindlichen Einbuchtung in der Richtung auf die Tolosan- 
losan-Inseln (Waeber'sche Karte) bis zur Meeresküste gezogene gerade Linie, 
3. den Inseln Tschiposan und Potato Island, sowie sämtlichen 
vor dem Eingang der Bucht gelegenen Inseln einschließlich Tolosan und 
Seslientau. 
Außerdem verpflichtet sich die chinesische Regierung, in einer Zone 
von 50 km im Umkreise rings um die Bucht keine Maßnahmen oder An- 
ordnungen ohne Zustimmung der deutschen Regierung zu treffen und ins- 
besondere einer etwa notwendig werdenden Regulierung der Wasserläufe 
keine Hindernisse entgegenzusetzen. Auch gewährt die chinesische Regierung 
den deutschen Truppen ein Durchmarschrecht durch die bezeichnete Zone. 
Um jeder Möglichkeit von Konflikten vorzubeugen, wird die chine- 
sische Regierung während der Pachtdauer im Pachtgebiet Hoheitsrechte nicht 
ausüben, sondern sie überläßt dieselben ebenso wie die Hoheitsrechte auf 
der gesamten Wasserfläche der Kiautschou-Bucht der deutschen Regierung. 
Die deutsche Regierung wird auf den Inseln und Untiefen vor dem Ein- 
gang der Bucht Seezeichen errichten. 
4. Im Falle, daß das an der Kiantschou-Bucht erpachtete Gebiet 
sich für die Zwecke der deutschen Regierung nicht passend erweisen sollte, 
wird die chinesische Regierung der deutschen Regierung einen besser geeig- 
neten Platz gewähren und das Kiautschou-Gebiet unter Ersatz der von der 
deutschen Regierung dort gemachten Aufwendungen zurücknehmen. 
5. Eine genauere Festsetzung der Grenzen des Pachtgebiets und der 
deutschen Zone nach Maßgabe der örtlichen Verhältnisse soll durch Kom- 
missare der beiden Regierungen erfolgen. 
Hierzu möchte ich noch nachstehende erläuternde Bemerkungen machen. 
I. Das Pachtgebiet, dessen genaue Grenze noch nicht festgestellt ist, 
wird einen Flächeninhalt von 30 bis 50 qkm haben. Es ist also wesent- 
lich größer, als der englische Besitz auf und gegenüber Hongkong. 
II. Die Lage des Pachtbesitzes und die ungefähre Ausdehnung der 
deutschen Zone ergibt die von mir der deutschen Kommission vorgelegte 
Spezialkarte. Diese Karte ist nur insofern zu berichtigen, als, wie nach- 
träglich bekannt geworden ist, aus militärischen Gründen die nördliche 
Land-Grenzlinie um einen schmalen Streifen weiter vorgeschoben worden 
ist, als in der Karte gezeichnet. 
III. Darüber, welche Einwohnerzahl der deutsche Besitz hat, fehlt 
noch genauere Angabe. Es liegen daselbst einige kleinere Dörfer, in denen 
eine chinesische Bevölkerung von ein paar Tausend Köpfen wohnen dürfte.
	        
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