86 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 23./26.)
sehen werden, ein Antworten jetzt schwieriger wie in der Kommission, aber
ich kann doch die Ausführungen des Herrn Vorredners, welche mit einer
Verneinung unserer Schlachtflotte faktisch endigen, nicht ganz unerwidert
lassen.
Meine Herren, ich habe in der Kommission dargelegt, daß wir in
erster Linie unsere Schlachtflotte brauchen zur Freihaltung unserer Meere,
um die Blockade zu verhindern. Die wirtschaftliche Aenderung Deutsch-
lands, die sich in den letzten 50 Jahren vollzogen hat, hat es mit sich
geführt, daß wir ein Viertel der Nahrungsmittel, die unser Volk braucht,
importieren. Meine Herren, wenn wir so viel Nahrungsmittel importieren,
dann müssen wir dieselben auch bezahlen, wir müssen also entsprechend ex-
portieren, und für diesen Export brauchen wir wiederum Industriezweige,
und diese brauchen wieder zu einem großen Teil einen Import von Roh-
produkten — ich erinnere hier z. B. im speziellen an die Textilindustrie,
an die chemische Industrie, an die Lederindustrie u. s. w. Nun liegt die
Sache doch so: wenn wir in einem Kriegsfalle blockiert werden, so folgt
schon aus den Massen allein an Nahrungsmitteln und Rohprodukten, um
die es sich hier handelt, die Unmöglichkeit, daß man diese Massen per
Bahn, also über Land, transportieren kann, denn zwei Drittel dieses ganzen
Imports geht eben über See. Dazu kommt noch ein anderer Grund. Im
Kriegsfalle werden ja möglicherweise große Teile unserer Grenzen geschlossen,
und die Eisenbahnen werden mit anderen Dingen belastet sein. Es wird
also um so schwieriger sein, den Import aufrecht zu erhalten, wir werden
um so mehr auf die See zur Aufrechterhaltung unseres wirtschaftlichen
freien Atems angewiesen sein. Das ist im wesentlichen die Bedeutung der
Schlachtflotte für die Abwehr der Blockade. Kann die Abwehr der Blockade
nicht ermöglicht werden, so werden sich die Dinge in der Weise vollziehen,
daß zunächst eine Teuerung eintreten wird, ein großer Teil unserer Fabriken
müßte still stehen, ein großer Teil unserer Arbeiter würde brotlos werden,
wir würden durch die Blockade in eine wirtschaftliche Krisis gedrängt
werden.
Die Schlachtflotte hat aber auch noch eine andere Bedeutung, ihre
Wirkung im Frieden liegt in der allgemeinen Seegeltung. Meine Herren,
ein Staat, der zum Aktivhandel übergegangen ist, der also ein beachtens-
werter Konkurrent auf dem Weltmarkt geworden ist, kann nicht ohne ein
gewisses Maß von Seegeltung bestehen, oder er muß niedergehen, und wenn
die Schlachtflotte im Falle des Krieges die akute Krankheit verhindern soll,
nämlich den wirtschaftlichen Erstickungstod für Deutschland, so soll die
Schlachtflotte im Frieden gewissermaßen ein chronisches Siechtum unseres
Wirtschaftslebens verhindern. Das waren die Ausführungen, die ich in
der Kommission über die Bedeutung der Schlachtflotte, vielleicht ohne An-
führung der Zahlen gemacht habe. Ich habe weiter ausgeführt, daß wir
ohne Schlachtflotte unsere Küsten vor dem Devastationskrieg nicht schützen
können. Es ist ganz klar, wir können doch nicht alles, was offen liegt an
unseren Küsten, so befestigen, daß es den Angriffen, dem Bombardement
einer feindlichen Schlachtflotte mit den heutigen weittragenden Geschützen
nicht ausgesetzt wäre. Der Herr Vorredner irrt, wenn er glaubt, der Ge-
fahr wäre dadurch vorgebeugt, daß die Geschütze am Lande auch weiter
schießen wie früher. Es handelt sich bei der Beschießung einer Stadt —
ich will einmal sagen Danzig, es ist durchaus zutreffend, was der Herr
Abg. Rickert gesagt hat — um ein sehr großes und mächtiges Zielobjekt,
bei der Beschießung eines Schiffes vom Lande aus handelt es sich um einen
kleinen Punkt, der 10000 m von der Küste abschwimmt. (Sehr richtig!)
Ich habe weiter ausgeführt, daß es für uns sehr schwer werde, irgend