90 Nas Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 28. 29.)
Ich habe, um das bisher von Ihnen bezogene Gehalt für anderweitige
Zwecke zum Nutzen der Armee verwendbar zu machen und um Sie hier-
durch nach Möglichkeit nicht in Ihrem Einkommen zu beeinträchtigen, an
das Kriegsministerium verfügt, daß Ihnen vom 1. April d. J. ab die
gesetzlich zustehende Pension angewiesen und daß Ihnen außerdem von
diesem Zeitpunkt an ein Zuschuß zur Pension nach Maßgabe bereiter
Mittel gezahlt werden soll. Indem ich Sie hiervon benachrichtige, bemerke
Ich, daß, wenn Sie auch durch diese Verfügung in das Verhältnis der
Offiziere z. D. treten, Sie dennoch die aktiven Dienstzeichen fortzutragen
haben und auch ferner in der Anciennitätsliste der Generalität geführt
werden. Auch habe Ich bestimmt, daß Ihr Sohn, der Major v. Blumen-
thal, aggregiert dem oldenburgischen Dragoner-Regiment Nr. 19, aus
seinem Kommando als Adjutant bei der 3. Armee-Inspektion in gleicher
Eigenschaft zum Chef des reitenden Feldjäger-Korps übertritt. Ich darf
erwarten, daß Sie in dieser, im Interesse der Armee nicht von der Hand
zu weisenden Verfügung auch Meine Fürsorge für Sie und Meinen Wunsch,
der Armee Ihren gefeierten Namen und Ihre Zugehörigkeit in der bis-
herigen Weise zu erhalten, erkennen werden.
Berlin, 28. März 1898. gez. Wilhelm.
Blumenthals Nachfolger wird Graf Waldersee. — Viele Zeitungen
knüpfen an diese Kabinettsordre die Vermutung, daß der Rücktritt Blumen-
thals in Ungnade erfolgt sei. (Vgl. 22. April.)
28. März. Der Reichstag genehmigt folgenden Antrag
v. Levetzow über die Errichtung eines Denkmals für Kaiser
Friedrich:
Die verbündeten Regierungen zu ersuchen: 1. wegen Errichtung
eines Standbildes für den hochseligen Kaiser Friedrich auf Reichskosten
dem Reichstage baldigst eine Vorlage zu machen, in welcher auch die Kosten
der Vorarbeiten in angemessener Höhe erfordert werden; 2. die Entscheidung
über die Gestaltung des Standbildes und über den für dasselbe zu
wählenden Platz der Entschließung Seiner Majestät des Kaisers anheim-
zugeben. — Der Antrag wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten
und Welfen angenommen.
29. März. (Preuß. Herrenhaus.) Zentralgenossenschafts-
kasse (vgl. S. 55, 66). Ansiedlungsgesetz (vgl. S. 66).
Das Haus genehmigt einstimmig die Erhöhung des Grundkapitals
der Zentralgenossenschaftskasse von 20 auf 50 Millionen Mark.
In der Beratung des Ansiedlungsgesetzes erklärt v. Koszielski,
daß das Gesetz der Verfassung widerspreche. Eine öde Popularilätshascherei
und politisches Doppelspiel sei das Merkmal des Kampfes gegen die Polen.
Die Regierung werde von ihren Behörden einseitig berichtet, das audiatur
et altera pars komme nicht zur Geltung. Die Polen werden verurteilt
auf Grund von amtlichen Informationen und Beweisstücken, die sie nicht
kennen lernen. Großpolnische Agitation und geschäftlicher Boykott gegen
die Deutschen existiere nicht. Ebenso unbegründet ist die Behauptung von
dem gesellschaftlichen Boykott seitens der Polen; im Gegenteil, die Polen
werden gesellschaftlich von den Deutschen boykottiert. Die Abschließung
der Polen in Vereinen ist allerdings eine bedauerliche Thatsache; es wäre
namentlich wünschenswert, wenn die polnischen und deutschen Landwirte
zusammen arbeiteten. Aber diese Abschließung ist leider durch die Ver-
hältnisse erklärlich und geboten. Der H. K. T.-Verein hat den Fanatismus