Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 29.—31.) 91
geschürt. In diesem Verein sind keine Leute, auf welche eigentlich die
Deutschen stolz sein könnten; keine verdienten und großen Namen sind
darin vertreten.
Graf Udo zu Stolberg: Der jetzige scharfe Gegensatz zwischen
beiden Nationen kommt daher, daß man den Polen erst Konzessionen ge-
macht hat, die man ihnen jetzt wieder nehmen muß. Das ist der Fehler
gewesen, daß wir die Polen nicht von Anfang an konsequent behandelt
haben.
Nach einer kurzen Erklärung des Finanzministers v. Miquel, der
namentlich die großpolnische Agitation in Oberschlesien tadelt, wird das
Gesetz mit großer Mehrheit angenommen.
29. März. (Berlin.) Der Staatssekretär des Reichsmarine-
amts, Kontreadmiral Tirpitz, wird zum preußischen Staatsminister
ernannt. "
30. März. Das preuß. Abgeordnetenhaus genehmigt
den Staatshaushaltsetat. Die Einnahmen und Ausgaben balan-
cieren mit 2187527 384 Mark. Davon sind fortdauernde Aus-
gaben 2055 891 380, einmalige und außerordentliche Ausgaben
131 636 004 Mark.
30./31. März. (Preuß. Abgeordnetenhaus.) Erste Be-
ratung der Gesetzentwürfe über das Diensteinkommen der evange-
lischen und katholischen Geistlichen.
Kultusminister Dr. Bosse sagt in der Begründung des Entwurfs:
Wir mußten verhandeln mit sechs Synoden verschiedener kirchlicher Rich-
tungen. Diese unter einen Hut zu bringen, war nicht leicht; es gelang
aber, weil man sich überzeugte, daß uns nur gute Absichten beseelten.
Auch das bisherige System war ursprünglich von dem Gedanken aus-
gegangen, daß den Gemeinden nur nach Maßgabe ihrer Bedürftigkeit
staatliche Zuschüsse gewährt werden sollten. Die Alterszulagen mußten
nach dem bisherigen System immer gewährt werden, sobald das Einkommen
unter die gewährleisteten Pfründeeinkommen herunterging. Das führte zu
großen Unzuträglichkeiten. Das Einkommen aus den Pfründengrundstücken
ging in erschreckender Weise zurück, ebenso wie die Erträge aus der Land-
wirtschaft überhaupt. Auf größere Pachtsummen wurde auch von den
Gemeinden nicht gedrängt, weil der Staat ja einschreiten mußte, wenn das
Pfründeneinkommen unter das gewährleistete Diensteinkommen herunter-
ging. Aehnlich lagen die Verhältnisse bei der Verzinsung des Pfründen-
kapitals. Statt das Kapital hypothekarisch günstig anzulegen, begnügte
man sich mit 3½ v. H. Konsols. Auch die Gebühren gingen zurück,
einzelne verschwanden gänzlich. Dazu kam die Ungleichheit der Gebühren
in den einzelnen Gemeinden, die dazu führte, daß die Gemeinde, die die
Gebühren ermäßigte, den Staatszuschuß bekam, die anderen aber nicht.
Diese Schwankungen des Pfründeeinkommens konnten nur dadurch beseitigt
werden, daß an ihre Stelle ein festes Grundgehalt gesetzt wurde unter
Aufrechterhaltung der Zuschüsse als Bedürfniszuschüsse. Es hat nicht vier-
zehn Tage gedauert, daß wir uns über diese Grundzüge mit dem Finanz-
ministerium geeinigt hatten. Dann haben wir uns mit der evangelischen
Kirchenbehörde geeinigt und den katholischen Bischöfen die Denkschrift mit-
geteilt. Man hat darin eine Art Brüskierung erblickt. Nichts lag uns