Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 19.) 109
bedingt behaupten, aus dieser unsrer Auffassung geht hervor, daß die Rege-
lung der Dinge auf Samoa abhängig ist von unsrer Zustimmung und
ohne dieselbe nicht endgültig durchgeführt werden kann. Auf Grund dieses
Prinzips der Einstimmigkeit ist inzwischen die Samoa-Kommission gebildet
worden, die seitdem auf Samoa eingetroffen ist. Sie stellt bis auf weiteres
die Regierung von Samoa dar und hat die Regierungsgewalt übernommen.
Alle anderen Vertreter sind dieser Kommission untergeordnet worden. Es
liegen nur telegraphische Meldungen vor, die ich in einem Auszug verlesen
möchte, obwohl dieselben überwiegend schon bekannt sind:
Die Kommission hat mit den streitenden Parteien verhandelt; es ist
nicht notwendig, die Feindseligkeiten wieder aufzunehmen, um die Ruhe
herzustellen; Mataafa hat mit der Ablieferung der Gewehre den Anfang
der Waffenauslieferung gemacht. Dem Streite beider Teile wird vielleicht
durch Abschaffung des Königtums ein Ende gemacht werden. Admiral
Kautz wird abgelöst werden, die Abberufung des Oberrichters Chambers
bleibt vorbehalten. Die deutschen Unterthanen sind in Freiheit gesetzt
worden, nachdem sich ihre Unschuld herausgestellt hat, nach Ordnung der
allgemeinen politischen Verhältnisse wird die Entschädigungsfrage geregelt
werden. Die Kommission wird die Aufgabe haben, die Ruhe und Rechts-
ordnung wiederherzustellen. Es würde unsrer Auffassung widersprechen,
wenn die Wünsche der Bevölkerung wegen der Schaffung einer Eingeborenen-
Regierung in Rücksicht gezogen würden, wir halten aber daran fest, daß
wir in den Streitigkeiten der eingeborenen Häuptlinge nicht Partei er-
greifen, ebensowenig wie wir die Parteinahme der Vertreter anderer
Mächte für Tanu gebilligt haben: Wir haben noch eine andere Auf-
gabe, die wir nicht einen Augenblick außer Auge gelassen haben: eine volle
Entschädigung für unsre Landsleute zu erlangen. (Zustimmung rechts.)
Die Frage ist noch nicht reif für ein diplomatisches Eingreifen. Das wird
erst möglich sein, wenn wirklich Ordnung hergestellt ist. Wir hoffen, daß
Ordnung geschaffen wird und wir werden nicht um eines Haares Breite
von unserm guten Recht abweichen (Zustimmung rechts), aber wir werden
mit ruhiger Ueberlegung und mit kaltem Blute die Sache behandeln
müssen.
19./22. Juni. (Reichstag.) Erste Beratung des Gesetz-
entwurfs zum Schutz des gewerblichen Arbeitsverhältnisses. (S. 96.)
Reichskanzler Fürst Hohenlohe: Gegen den Gesetzentwurf zum
Schutz des gewerblichen Arbeitsverhältnisses sind lebhafte Angriffe gerichtet
worden sowohl in der Presse als in öffentlichen Versammlungen. Diese
Angriffe haben auch bereits im Reichstag einen Ausdruck gefunden, und
doch bringt der Gesetzentwurf Ihnen nichts Neues und Unerwartetes, denn
schon vor acht Jahren hat der Minister v. Berlepsch die Wiederaufnahme
der damals abgelehnten Vorlage in ausdrückliche Aussicht gestellt. Nach
den Erfahrungen, die wir inzwischen bei den Ausständen gemacht haben,
war nicht vorauszusetzen, daß die verbündeten Regierungen dauernd ihre
Absicht aufgeben würden, den Terrorismus, der bei Ausständen den Ar-
beitern gegenüber angewendet wird, zu bekämpfen. (Zustimmung rechts.)
Die abfällige Kritik, die insbesondere von seiten der sozialdemokratischen
Partei in leidenschaftlicher Weise gegen diese Gesetzesvorlage geübt wird,
erklärt sich aus dem Grund, weil diese Partei die Vorlage als ihrem
Interesse nachteilig ansieht (Abg. Bebel ruft: Durchaus nicht!). Sie be-
fürchtet, daß der Einfluß, den sie auf die Arbeiter ausübt, dadurch beein-
trächtigt werden kann. Daß diese Besorgnis nicht ganz unbegründet ist,
muß ich zugeben und ich begreife vollkommen, daß die Herren der sozial-