Das Dentsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 12./13.) 7
die ja jeder Organisation anhaften, zu erkennen und auf geeignete Ab-
hilfemaßregeln zu sinnen, andererseits schützen sie vor übereilten Ent-
schließungen. Die Vorlage kommt aber noch in anderer Hinsicht den
Wünschen dieses hohen Hauses entgegen, indem sie für eine Reihe von
Jahren ein Ziel für die Organisation festsetzt, das nach und nach erreicht
werden soll und eine jährliche Bewilligung des Budgets und der Friedens-
präsenzstärke zur Folge hat, so daß auf diese Weise dem Reichstage der
entsprechende Einfluß auf die Ausgaben des Reiches gewährleistet wird.
Fragt man nach den Gründen, welche es ermöglicht haben, diesen System-
wechsel vorzunehmen, so ist zunächst das Friedensmanifest Sr. Majestät des
Kaisers von Rußland in Betracht zu ziehen. Diese erhabene Kundgebung
gibt uns für absehbare Zeit die Sicherheit, von dieser Seite her durch
einen Angriffskrieg nicht bedroht zu werden, und ändert damit wesentlich
unsere militärisch-politischen Verhältnisse. Andererseits hat aber auch die
deutsche Heeresmacht einen solchen Umfang und eine solche Sicherheit
erreicht, daß wir die Nervosität der Rüstungen abstreifen und mit Ruhe
der Zukunft entgegensehen können. Ich wende mich nun den Einzelheiten
der Vorlage zu: Zunächst werden bestimmte Kommandobehörden gefordert,
und zwar für Preußen, Bayern und Sachsen je ein Generalkommando,
für Preußen drei, für Bayern und Sachsen je ein Divisionskommando. Kann
man sich auch von der zukünftigen Kriegführung eine Vorstellung im
Detail nicht machen, so ist es doch Pflicht der Kriegsverwaltung, diejenigen
Bedingungen zu klären, unter denen bei solchen Massen eine Operation
möglich ist, denn das ist klar, daß man die Heeresmassen ins Ungemessene
nicht anwachsen lassen kann, daß ein großes Heer ohne handliche Gliede-
rung operationsunfähig ist. Man muß daher das Heer in kleinere Armeen
teilen; diese einzelnen Armeen bleiben aber nur dann operationsfähig, wenn
sie so handlich organisiert sind, daß sie der Führung und Verwaltung
möglichst wenig Schwierigkeit bereiten, also die Reibungen vermieden
werden, die eventuell die Operation ausschließen. Erreicht daher die Stärke
eines Armeekorps eine solche Höhe, daß die einheitliche Leitung und Ver-
waltung unmöglich wird, dann muß man die Stärke eines solchen Korps
verringern, muß es teilen. Die Begründung sagt Ihnen bereits, in welchem
Maße das XI. preußische Armeekorps in seiner Stärke angewachsen ist;
es macht sowohl der Verwendung im Kriege, als auch der einheitlichen
Leitung und Ausbildung im Frieden die wesentlichsten Schwierigkeiten.
Für den Krieg müssen wir uns infolgedessen mit Improvisationen helfen,
obwohl wir davon überzeugt sind, daß, wenn wir im Momente des Krieges
erst zur Bildung neuer Kommandobehörden schreiten, dann die Gefechts-
kraft der Truppen wesentlich geschmälert wird. Will man den Wert der
Truppen in seinem vollen Umfange ausnutzen, dann muß man sie in den
Verbänden in den Krieg ziehen lassen, in denen sie sich im Frieden befinden.
Jeder, der sich für diese Verhältnisse interessiert und einen Blick in die
Dislokationskarte der Armee wirft, wird sich überzeugen, daß die 21. und
die 25. (großherzoglich hessische) Division zu einem Korps vereinigt, eine
Streitmacht bilden, die so verfügbar und verwendungsfähig ist, daß sich
daraus ein Kraftzuwachs ergibt, welcher zu den verhältnismäßig geringen
Kosten der Schaffung eines Generalkommandos in gar keinem Verhältnis
steht. Aehnliche Verhältnisse liegen in Bayern und in Sachsen vor. Auch
hier zeigt Ihnen der Blick auf die geographische Lage Bayerns, daß die
Teilung in drei Armeekorps gegeben ist und diesem vortrefflichen Kontin-
gent die Aufgaben, die ihm gestellt werden müssen, wesentlich erleichtert
werden. Auch beim sächsischen Kontingent sind für den Kriegsfall Impro-
visationen vorgesehen, auch hier sind die Verhältnisse so dringend, daß die