Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

Belgien. 
Holland. 
Frie- 
denskon- 
ferenz. 
Däne- 
mark. 
330 NMebersicht der politischen Eutwichelnus des Jahres 1899. 
In Belgien hat eine Wahlreformvorlage der Regierung 
große Erschütterungen hervorgerufen. Der Entwurf war bestimmt, 
der herrschenden klerikalen Partei die Kammermehrheit für immer 
zu sichern (S. 259). Angesichts der populären Erregung, die dieser 
Entwurf erregte, lehnte ihn die Kammerkommission, die mit seiner 
Vorbereitung betraut war, ab, und das Ministerium Vanden- 
peereboom mußte durch eine andere klerikale Gruppe ersetzt werden. 
Dieser gelang es dann, freilich mit schwacher Mehrheit, ein Wahl- 
gesetz zu stande zu bringen, das auf dem Proportionalwahlsystem 
aufgebaut, eine solche einseitige Begünstigung der klerikalen Partei 
nicht enthielt. 
Holland hat in diesem Jahre die Aufmerksamkeit als der 
Sitz der Friedenskonferenz auf sich gezogen. Der Hauptgedanke, 
den der Zar in seinem ersten Rundschreiben ausgesprochen hatte, 
die Herbeiführung einer Verminderung der Rüstungen, war bereits 
sehr abgeschwächt in der zweiten russischen Kundgebung vom 
11. Januar (S. 269), und als die Konferenz zusammentrat, war 
man allseitig überzeugt, daß diese Idee keine Aussicht auf Ver- 
wirklichung habe. In den Beratungen wurde die Abrüstung wohl 
als erstrebenswert hingestellt, aber über solche platonischen Wünsche 
kam man nicht hinaus. Es wurde dagegen beschlossen, gewisse 
Explosivgeschosse nicht zu verwenden, die Genfer Konvention auf 
den Seekrieg einzuschränken, das Privateigentum im Seekriege für 
unverletzlich zu erklären und über die Beschießung offener Städte 
gewisse Grundsätze aufzustellen. Bei diesen Vorschlägen machte fast 
allein England einige Vorbehalte oder lehnte sie gänzlich ab. 
Lange Diskussionen entfesselte die Frage des internationalen Schieds- 
gerichts, aber bald brach sich die Anschauung Bahn, daß ein Staat 
unmöglich alle ihn berührenden Differenzen von einem solchen 
Schiedsgericht entscheiden lassen und somit unter Umständen 
Existenzfragen der Willkür eines fremden Gerichtshofes über- 
antworten könne. Man kam daher nicht weiter als eine Kon- 
vention zur friedlichen Schlichtung internationaler Streitigkeiten 
zu empfehlen. 
In Dänemark beschäftigte die Gemüter ein großer Streik, 
der allmählich zu einer Massenaussperrung führte. Im April
	        
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