Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

274 Belgien. (Mai 25. — November 13.) 
25. Mai. Infolge der Teilwahlen wird die Mehrheit der 
Regierung verstärkt. Der Senat besteht aus 62 Katholiken, 41 Libe- 
ralen, 6 Sozialisten, die Kammer aus 96 Katholiken, 34 Liberalen, 
34 Sozialisten, 2 christlichen Demokraten. 
17. Juli. (Brüssel.) Ein panarmenischer Kongreß beschließt, 
die europäischen Mächte zum Schutz der Armenier anzurufen. 
20./25. August. (Courtrai.) Kongresse über die Erhaltung 
der niederdeutschen Sprache. 
Die „Allg. Ztg.“ berichtet darüber: Der eine derselben, der so- 
genannte vlämische „Landtag“, hatte nur die Lage des vlämischen Volks- 
stammes in Belgien im Auge und erhob wieder die bekannten Forderungen 
der vlämischen Nationalpartei wegen der völligen Gleichstellung mit dem 
französischen Element. Alle Redner schilderten die ungünstige Lage, in 
welcher das belgische Vlämentum sich trotz aller Versprechungen der Re- 
gierungskreise tatsächlich befindet. Insbesondere tritt die ungerechte Be- 
handlung der Vlämen auf dem Gebiete des Schulwesens sehr grell hervor. 
Eine wirkliche Gleichberechtigung existiert für sie bloß in der Volksschule, 
während das Mittelschulwesen sich schon zum größten Teile in den Händen 
der Wallonen befindet. Was die Hochschulen betrifft, so tragen alle vier 
Landesuniversitäten einen ausschließlich französischen Charakter, und die 
Vlämen, welche einen höheren Bildungsgrad anstreben, können denselben 
daher in ihrer Muttersprache nicht erreichen. Dabei bildet der vlämische 
Volksstamm die überwiegende Mehrheit in Belgien. Die Beschlüsse des 
Kortrijker Landtags heben alle diese Punkte hervor und fordern entschiedene 
Abhilfe. Ob sie aber einen praktischen Erfolg erzielen werden, bleibt um 
so zweifelhafter, als der soeben erfolgte Eintritt eines eifrigen Wallonen 
in das Kabinett nicht gerade auf eine vlämenfreundliche Haltung der Re- 
gierung schließen läßt. — Der zweite niederdeutsche Kongreß trug einen 
mehr internationalen Charakter und war von mindestens 900 Delegierten 
Belgiens, Hollands, der holländischen Kolonien und der bisherigen Buren- 
staaten beschickt. Seine Hauptaufgabe bestand in der Auffindung der 
Mittel und Wege, die geeignet sind, die niederländische Sprache zu er- 
halten und zu verbreiten. Es handelte sich dabei hauptsächlich um die 
zukünftige Stellung der niederländischen Sprache in Südafrika, wo die 
Engländer jedenfalls den Versuch machen werden, sie zu verdrängen. Die 
beiden Burenvertreter Louw und Reitz gaben die Versicherung ab, daß die 
Buren im Kampfe für ihre Nationalität und Sprache ausharren werden, 
was der Kongreß mit Befriedigung zur Kenntnis nahm. Aus den Er- 
klärungen der beiden Burendelegierten geht jedoch hervor, daß dem drei- 
jährigen Waffengange in Südafrika nunmehr ein zwar unblutiger, aber 
nicht minder hartnäckiger, nationaler Kampf nachfolgen dürfte. 
19. September. (Spaa.) Königin Maria Henriette, eine 
geborene Erzherzogin, 66 Jahre alt, k. 
Mitte September. (Hennegau.) Unter den Bergleuten 
macht sich eine Bewegung geltend, aus der Arbeiterpartei auszu- 
treten und eine neue radikale Sozialistenpartei zu begründen. 
10. Oktober. Das Spielhöllengesetz tritt in Kraft. 
13. November. Die offiziöse „Etoile Belge“ teilt mit, daß
	        
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