34 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 7.)
das Flottengesetz in dieser Weise zu beschleunigen, würden die Herren in
demjenigen Teil des Erlasses finden, der vom „Vorwärts" nicht veröffent-
licht worden ist. Ich habe in diesem Teil die Berechnung gegeben für
den Aufbau der Schlachtflotte für 1905—1910, so wie er berechnet werden
sollte. Nun konnte man mir einwerfen: „Ja, warum hast du, Staats-
sekretär, wenn das nötig war, denn das gesagt?“ Mir lag daran, diesen
Grundsatz, ehe wir überhaupt an die erste Bearbeitung der Novelle heran-
traten, festzunageln, daß wir bei der Aufstellung des Flottengesetzes nicht
daran gedacht haben, in beschleunigter Weise die Sache zu entwickeln. Ich
habe die Verantwortung für die Ausführung des Flottengesetzes, und
dieser Grundsatz sollte eine aktenmäßige Grundlage geben. Man wird es
im allgemeinen einem Seeoffizier nicht verdenken können, daß er eine Be-
schleunigung des Aufbaues unserer Schlachtflotte wünscht. Namentlich
Frontoffiziere glauben gern, daß der Staatssekretär es schneller machen
könnte, wenn er nur wollte. Dem habe ich entgegentreten wollen. Wenn
Sie nun auf Grund dieser Darlegungen den Passus noch einmal durch-
lesen wollen, so wird niemand mehr den Vorwurf der Täuschung gegen
mich daraus konstruieren können. (Zustimmung rechts.) Alljährlich treten
bei Aufstellung des Marine-Etats Anforderungen für sonstige einmalige
Ausgaben an mich heran. Wenn nun diese Anforderungen sich auf 25 Mil-
lionen Mark belaufen, und ich reduziere sie auf 18 Millionen, indem ich
sage: wir werden damit auskommen, und es kommt dann jemand und
meint: du hast uns getäuscht, die militärischen Anforderungen sind ja viel
größer, so ist das geradezu ein absurder Vorwurf. Wie kann man sagen,
daß ich mit einem solchen Passus, den ich unterschrieben und mit dem ich
eine aktenmäßige Grundlage gegeben habe, den Reichstag getäuscht habe.
Wenn ein solches böses Gewissen vorhanden ist, so verfährt man doch
gerade umgekehrt. Ich weise die gegen mich erhobenen Verdächtigungen
der Presse hiemit mit aller Entrüstung zurück. (Beifall rechts.)
Abg. Bebel (Soz.) polemisiert scharf gegen den Staatssekretär, der
dem Reichstage falsche Angaben gemacht habe. Abg. Müller-Fulda (Z.):
Es sei unmöglich, auf Jahrzehnte hinaus sichere Zahlen über die Kosten
anzugeben. Was ist denn eigentlich falsch an der ganzen Sache? Wir
haben den Etat für 1901 und 1902. Gegenüber den Voranschlägen sind
in beiden Jahren Minderaufwendungen von sieben Millionen eingetreten,
weil die Voranschläge reichlich bemessen waren und größere Ersparnisse
möglich wurden. Diese Ersparnisse geben uns allein schon einen Sicherheits-
faktor für etwaige Mehrkosten. Ebenso sind Ersparnisse beim Bau der
Torpedoboote eingetreten. Wir sind nicht getäuscht worden und werden
auch recht gut mit den Beträgen im Flottengesetz auskommen. Namens
der Kommission weise ich den Vorwurf, wir hätten uns täuschen lassen,
entschieden zurück. Abg. Richter (fr. Vg.): Der Erlaß ist das Eingeständ-
nis eines Fehlers und eines Mangels der Offenheit, dem wir leider bei
dem Staatssekretär nicht zum erstenmal begegnen und der uns dazu ver-
anlassen muß, daß wir in Zukunft seinen Angaben nicht dieselbe Glaub-
würdigkeit beimessen können wie den Angaben anderer Staatssekretäre. —
Die Redner der Konservativen, Nationalliberalen und der freisinnigen Ver-
einigung stimmen dem Abg. Müller zu, daß keine Täuschung vorliege.
7. Februar. (Berlin.) Der Reichskanzler über die Zollfrage.
Bei dem Festmahl des Deutschen Landwirtschaftsrats betont Reichs-
kanzler Graf Bülow seine Sorge für die Landwirtschaft und warnt vor
übertriebenen Forderungen. „Durch nichts werden die berechtigten Be-