Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Achtzehnter Jahrgang. 1902. (43)

Das Venutsche Reich und seine einzelnen Slieder. (April 7. —9.) 61 
vorgeschrieben waren. Ebenso wird das Zeichnen und Singen ins Gesetz 
aufgenommen und für die Knaben das Turnen, für die Mädchen der 
Handarbeitsunterricht; auch diese je obligatorisch, fakultativ das Turnen 
für die Mädchen, die Handarbeit für die Knaben. Endlich enthält der 
Entwurf neue Bestimmungen über die höchste zulässige Schülerzahl, die 
normal von 90 auf 70 heruntergesetzt wird („Allg. Ztg.“). 
April. In der Presse werden Bedenken gegen die Annahme 
der Rhodesschen Stiftung für deutsche Studierende geltend gemacht; 
sie sei nur dazu bestimmt, seinem Gedanken, die englische Rasse zur 
Weltherrschaft zu bringen, zu dienen. 
7. April. (Sachsen.) Die Großindustriellen fordern die 
Regierung auf, ein sofortiges Verbot gegen die fortgesetzte zu- 
nehmende Masseneinwanderung tschechischer und polnischer Arbeiter 
nach Deutschland zu erlassen. 
8. April. (Preußen.) Der Landwirtschaftsminister v. Pod- 
bielski berät mit Direktoren und Aufsichtsräten von Hypotheken- 
banken über die Reform des Hypothekenbankwesens. 
8. April. (Bayern.) Die Regierung legt dem Landtag eine 
Denkschrift über die Errichtung einer technischen Hochschule in Nürn- 
berg vor. 
9. April. (Berlin.) Vertreter zahlreicher deutscher Kartelle 
und Syndikate beraten über die Vereinigung aller Kartelle zu einer 
wirtschaftlichen Vereinigung und beauftragen den Zentralverband 
der Industriellen mit der Einleitung solcher Verhandlungen. 
9. April. (Bayerische Abgeordnetenkammer.) Debatte 
über die Pfälzer Eisenbahnen und die preußisch-hessische Eisenbahn- 
gemeinschaft. 
In der Debatte wird die Besorgnis ausgesprochen, daß die Pfälzer 
Eisenbahnen unter der Konkurrenz der preußischen Bahnen leiden könnten. 
Ministerpräsident v. Crailsheim: Die Auffassung, daß die Pfälzer Bahnen 
von einem übermächtigen Gegner umgeben seien, kann ich nicht teilen. Die 
preußische Eisenbahnverwaltung hat sich vielmehr der bayerischen Staats- 
bahnverwaltung sowie der Verwaltung der Pfälzer Bahnen gegenüber stets 
nicht als Gegner, sondern als Freund bewiesen. Richtig ist, daß der Pfalz 
durch Konkurrenzmaßnahmen ein großer Teil des Verkehrs entzogen werden 
könnte. Es ist aber nie der Versuch dazu gemacht worden. Sodann er- 
örtert der Minister die Bedingungen, unter welchen die Pfälzer Bahnen 
im Jahre 1905 vom Staate übernommen werden könnten, und fährt fort: 
Ich möchte aber von dieser Stelle aus erklären, daß an eine Angliederung 
der Pfälzer Bahnen an die preußisch-hessische Bahngemeinschaft oder an die 
Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen nicht gedacht werden kann, und daß 
alle hierauf bezüglichen Bestrebungen völlig aussichtslos sind. Wir wollen 
bei dem Erwerb der Pfälzer Bahnen für den Staat kein Geschäft machen, 
sondern betrachten ihn nur als eine Maßnahme im wirtschaftlichen Inter- 
esse der Pfalz.
	        
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