72 as Veuische Reich und seine eimelnen Glieder. (März 19./20.)
Die Regierung verlangt als Dispositionsfonds des Oberpräsidenten
zur Förderung des Deutschtums in den Ostmarken 1 Million Mark, als
Erziehungsbeihilfe an höhere Beamte 150000 Mark, und widerrufliche,
nicht pensionsfähige Gehaltszulagen an die mittleren, Kanzlei= und Unter-
beamten 1350000 Mark, ferner für Erwerb und Erschließung des Um-
wallungsgeländes der Stadt Posen, 2. Rate: 3 Millionen Mark und
für Herstellung von Garnisonseinrichtungen in Wreschen und Schrimm
2984 158 Mark, Vorarbeiten für ein Residenzschloß in Posen 50000 Mark.
Die freisinnigen Parteien beantragen, die Zulagen als unwiderruf-
liche zu gewähren. Abg. Winckler (kons.) billigt die Forderung und hofft,
daß das Posener Schloß ein Wahrzeichen der Zusammengehörigkeit der
polnischen Landesteile mit der preußischen Monarchie und dem Deutschen
Reiche sein werde. Abg. Keruth (fr. Vp.): Die Polenpolitik der Regie-
rung schädige das Deutschtum, wie das Anwachsen der polnischen Stimmen
z. B. in Danzig beweise. Warum solle es jetzt von der Ostmarkenzulage
ausgeschlossen werden? Die ganze Vorlage sei abzulehnen und ein be-
sonderes Gesetz über die Regelung der Beamtengehälter in gemischt-sprachigen
Bezirken einzubringen. Finanzmin. Frhr. v. Rheinbaben: Die Aus-
dehnung der Maßregel auf alle gemischt-sprachige Gegenden müßte große
finanzielle Folgen haben. Auch auf Oberschlesien dürfe man sie nicht aus-
dehnen, weil man nicht die dortige Agitation unterstützen wolle, daß die
dortigen Polen dieselbe Geschichte hätten wie die Posener. Ueber die Frage
der Widerruflichkeit sagt der Minister: Viel angegriffen worden ist die
Widerruflichkeit der Zulagen, aber die Widerruflichkeit ist durchaus nichts
neues. Da die Beamten im Osten einen besonders schwierigen und ver-
antwortungsvollen Dienst haben und die örtlichen Verhältnisse große
Schwierigkeiten bieten, so haben wir früher Stellenzulagen gewährt. Im
Jahre 1891 haben wir für diesen Zweck 1170000 Mark, im Jahre 1899
2,5 Millionen zur Verfügung gestellt. Auch diese Stellenzulagen sind wider-
ruflich gegeben worden, aber nirgends ist ein Mißbrauch zu politischen
Zwecken hervorgetreten. Von dem Widerruf wird nicht seitens der Lokal-
behörden, sondern von der Zentralinstanz Gebrauch gemacht werden. Die
Zulage wird ja auch nicht für ein Jahr oder für drei Jahre gewährt,
sondern nach Prüfung der Verhältnisse gegeben. Ist die Zulage einmal
gegeben, so bleibt sie dem Beamten auch; es sei denn, daß die Voraus-
setzungen für ihre Entziehung gegeben sind. Und das kann nur geschehen
durch Beschluß des zuständigen Ministers, der in diesem Hohen Hause
Rechenschaft abzulegen hat. Ich glaube, die Gefahr eines Mißbrauches
ist auch ausgeschlossen. Von dem Widerruf selber können wir schlechter-
dings nicht absehen, wenn wir nicht den Zweck der Maßregel gefährden.
Die Maßregel bezweckt, den Beamten unter zum Teil schwierigen Ver-
hältnissen eine Zulage zu geben für treues Aushalten im Osten. Sie
können die Zulagen aber nur bekommen, wenn sie dienstlich und außer-
dienstlich ihre Pflicht erfüllen, insbesondere auch ihre nationale Pflicht.
(Beifall rechts.) Wir können die Ostmarkenpolitik nur durchführen gestützt
auf ein treues Beamtenpersonal. Wer sich dienstlich schlecht führt oder
national unsicher ist, kann die Zulage nicht bekommen. Auf den Wider-
ruf können wir nicht verzichten. Der Ausweg der Versetzung ist nicht an-
gängig, das gäbe ein beständiges Zu- und Abströmen, das wir vermeiden
wollen. Unwiderruflichkeit würde die ganze Maßregel hinfällig machen.
Ich bin in der Lage, im Namen der Staatsregierung zu erklären, daß
die Streichung des Wortes „Widerruf“ die ganze Position für die Staats-
regierung unannehmbar macht. (Beifall.)
Abg. Hobrecht (ul.) ist für die Vorlage, obwohl er gegen die