Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 7.) 45
Nach alter Sitte möchte ich einige Bemerkungen der Beratung des
Etats vorausschicken. Unser oberster Grundsatz ist die Aufrechterhaltung
eines gesicherten Betriebes. Die Streckensicherung mit allen neuen techni-
schen Mitteln ist immer weiter fortgeschritten. Unsere Maßnahmen haben
sich als richtig erwiesen, die Unfälle haben sich stetig vermindert. Im
Jahre 1903 kamen auf 100 km Bahnlänge 8,12 Umfälle, 1902 nur 5,81,
auf 1 Million Lokomotivkilometer 1893 5,78, 1902 nur 3,37. Die Sicher-
heit unserer Bahnen ist größer als die gerühmte Sicherheit der amerika-
nischen Bahnen. In Amerika kamen 7,01 v. H. Zusammenstöße und Ent-
gleisungen vor, in Preußen nur 1,35 v. H. Die Zahlen der Unfälle in
Amerika und bei uns verhalten sich wie 4: 1,7 und die Zahlen der Tötungen
wie 3: 1. Bei uns fährt der Reisende also dreimal sicherer als in Amerika.
Auch für die Bequemlichkeit der Reisenden ist sehr viel mehr gesorgt worden
als früher. Von unserer Klasseneinteilung will ich nicht abweichen; sie
entspricht dem Bedürfnis unseres Volkes. Die Fürsorge für unser
Beamtenpersonal schreitet ebenfalls fort; natürlich bestehen in einem so
großen Beamtenkörper immer noch einige Wünsche, aber nicht alle Wünsche
sind berechtigt. Wenn solche Wünsche hier vorgetragen werden, so hebt
sich die Begehrlichkeit. Daß es nützlich ist, wenn immer gesagt wird in
diesem Hause: wir sind die Wohltäter, und der Minister ist der böse Mann,
das bezweifle ich. Der Disziplin nützt das nicht. Mir haben neulich Be-
amte gesagt: Wir reichen alle Jahre unsere Petition beim Abgeordneten-
hause ein, und wir fassen darin alle unsere Wünsche zusammen. (Heiterkeit.)
Die Einnahmen der Eisenbahnverwaltung sind von 1188 Millionen im
Jahre 1897 gestiegen auf 1400 Millionen im Jahre 1902, also um 17 v. H.,
die Ausgaben für das Beamtenpersonal sind jedoch gestiegen von 344 Mil-
lionen auf 420 Millionen, das heißt um 24 v. H. Alle meine Wünsche
sind in diesem Etat nicht erfüllt, aber für die Bahnwärter sind 100 Mark
Erhöhung vorgesehen, die Wagenmeister sollen Stellenzulagen bis zu 400 Mark
erhalten, für die Lokomotivbeamten sind die pensionsfähigen Nebenbezüge
so geordnet, daß entsprechend ihren Wünschen ihre Pensionsverhältnisse sich
gebessert haben. Die Lokomotivführer insbesondere halten treu zur Ver-
waltung und gestatten nicht, daß sich Umsturzbestrebungen unter ihnen
geltend machen; sie haben sich ein eigenes Lokomotivführerheim gegründet,
zu dessen Besichtigung ich Sie einlade. Die Ruhetage der Beamten sind
stetig vermehrt worden. 1900 leistete der Beamte im Durchschnitt täglich
10,64 Stunden Dienst, 1903 10,54 Stunden; die dienstfreien Tage be-
trugen im Monat 3,26 im Jahre 1900, 3,39 im Jahre 1903, davon ent-
fielen auf den Sonntag 1900 1,97, 1903 2,13 Tage. Die Arbeitslöhne
sind gesteigert worden, der Lohn wird fortbezahlt bei Beurlaubungen u. s. w.;
es wird freie Fahrt gewährt für den Besuch der Familie u. s. w.; für die
Belohnungen nach langer, guter Dienstzeit ist eine neue Verordnung er-
lassen worden; bis jetzt sind dafür 90000 Mark jährlich ausgegeben wor-
den; nach der neuen Verordnung werden es 210000 Mark sein. Arbeiter-
ausschüsse sind gebildet und werden weiter gebildet werden; vorläufig ist
damit bei drei Direktionen ein Versuch gemacht worden.. Wir hatten
das finanzielle Ergebnis des laufenden Jahres früher auf 63 Millionen
Mark geschätzt, nach den neuesten Berichten der Eisenbahndirektionen werden
es zu meiner Freude 93 Millionen sein. Der Ausgleichsfonds der Eisen-
bahnverwaltung wird also so dotiert werden können, daß er seinen Zweck
erfüllt. Unsere Eisenbahnen haben eine gute finanzielle Zukunft, aber trotz-
dem müssen wir nach der Lehre des letzten Rückschlags vorsichtig sein.
Unser Betriebskoeffizient im laufenden Jahre wird 60,45 v. H. betragen,
ist also wesentlich günstiger als früher. Zum erstenmal haben wir eine