Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

160 Die Herreichisch####sche Monarchie. (März 23. April 5.) 
Handeln bereit finden. Die Regierung zieht hierbei die große Unterstützung 
in ihr Kalkül, welche die Volksvertretung im gegebenen Augenblick in 
dieser Frage gewähren wird. Soweit die Anträge Derschattas sich auf 
die Armee beziehen, kann ich auf meinen am 14. Februar dargelegten 
Standpunkt verweisen. Die Regierung wird den ihr in diesen Staats- 
gebieten gesetzlich zustehenden Einfluß zu wahren wissen. (Bravo.) Das 
ist unser Recht und unsere Pflicht. Beide Staatsgebiete haben an der 
unversehrten Erhaltung unserer gemeinsamen Armee das größte Interesse 
und von dieser Erkenntnis erwarte ich den Sieg über alles Ungestüm und 
über alle Leidenschaften des Tages. Wenn ich die Gesamtsituation über- 
schaue, so muß ich dem Abg. Lecher beipflichten, daß unsere Lage in 
Oesterreich ernst, aber durchaus nicht schlecht ist. Wir bitten das Haus, 
Vertrauen zu haben zu dem unerschütterlichen Willen der Regierung, und 
alles zu tun, damit den österreichischen Interessen kein Abbruch geschehe. 
Wir werden dieses Vertrauen nicht täuschen. (Lebhafter Beifall.) — Am 
21. wird der Antrag angenommen. Viele Redner fordern eine Trennung 
von Ungarn. 
23. März. (Cisleithanien.) Das Komitee des Eisenbahn- 
ausschusses erteilt dem Eisenbahnminister ein Mißtrauensvotum, 
weil beim Bau der Alpenbahnen der Anschlag um 90 Millionen 
Kronen überschritten ist. 
5. April. (Ungarn.) Da alle Verhandlungen über die 
Bildung einer Regierung gescheitert find, verläßt der König Pest 
nach längerem Aufenthalt. Die „Polit. Korresp.“ schreibt dazu: 
„Seine Majestät verläßt heute Budapest, ohne daß die ungarische 
Krisis gelöst worden wäre. Man kann gleichwohl nicht behaupten, daß 
der hiesige Aufenthalt des Königs nicht wenigstens nach einer Richtung 
volles Licht verbreitet hat. Schon heute läßt sich vielmehr mit klarer 
Bestimmtheit das eine sagen, daß die Forderungen der Opposition in der 
Armeefrage auf verfassungsmäßigem Wege nicht zu erreichen sind. Wenn 
die äußerste Linke jahrzehntelang von sich behauptete, daß sie ihre poli- 
tischen Bestrebungen auf friedlichem, verfassungsmäßigem Wege und im 
Einvernehmen mit dem König durchsetzen wolle, so erscheint diese Behaup- 
tung nach den jüngsten Audienzen und Konferenzen vollständig widerlegt. 
Die Opposition hatte reichlich Gelegenheit, sich während der letzten Wochen 
in authentischer Weise zu überzeugen, daß sie ihre politischen Bestrebungen 
in der Armeefrage im Einvernehmen mit der Krone nicht durchführen 
kann. Die äußerste Linke und die mit ihr verbündeten Fraktionen haben 
sich nunmehr die Frage vorzulegen, ob sie ihre Forderungen in der Armee- 
frage auch anders als auf konstitutionellem Wege betreiben wollen, und 
welche Wege und Machtmittel ihnen hierfür zu Gebote stehen. Die Oppo- 
sition hat die Pflicht, diese Wege und Machtmittel ebenso klar darzulegen, 
wie die Krone ihren Standpunkt klar dargelegt hat. An Neuwahlen wird 
zunächst nicht gedacht, denn nicht der Bevölkerung, sondern der oppositio- 
nellen Mehrheit obliegt es jetzt, der Welt zu zeigen, ob die Forderungen 
der Opposition in der Armeefrage auf verfassungsmäßigem oder verfassungs- 
widrigem Wege zur Geltung gebracht werden sollen. Ehe die oppositio- 
nelle Koalition in diese Frage nicht Licht und Klarheit bringt, kann zur 
Lösung der Krisis kein entscheidender Schritt weiter getan werden.“ 
5. April. (Wien.) Das „Vaterland“ veröffentlicht ein
	        
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