Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Einundzwanzigster Jahrgang. 1905. (46)

224 Erankreit. (Dezember 16.) 
Regelung der Schwierigkeiten zu überschreiten, die einen Augenblick ihre 
Beziehungen zu trüben drohten. Warten wir mit Ruhe das Ergebnis der 
Konferenz ab. Die äußere Politik Frankreichs ist leicht zu kennzeichnen: 
Treu der unberührt gebliebenen Allianz und den kostbaren Freundschaften, 
die frei von Hintergedanken sind, im Wunsche, gegenseitige vertrauensvolle 
Beziehungen zu unterhalten, hat Frankreich, seiner selbst sicher — wir ver- 
künden es laut — nur die Wahrung seiner Rechte, seiner Interessen und 
seiner Freiheit im Auge. (Lebh. Beifall.) 
In der Besprechung sagt Abg. Jaures (Soz.): Es wäre eine große 
Gefahr, wenn wir den Eindruck hervorrufen würden, daß wir bloß die 
besonderen Rechte Frankreichs berücksichtigen wollten und daß wir alle 
Bürgschaften internationaler Art im dunkeln lassen wollten. (Lärm.) Wenn 
die Kammer durch ein beklagenswertes Mißverständnis im Auslande die 
Meinung entstehen lassen sollte, daß die internationale Seite der Marokko- 
frage vernachlässigt werden wird, dann wird sie vor dem Lande und vor 
der Geschichte die Verantwortung dafür tragen. (Beifall auf der äußersten 
Linken, Lärm rechts und im Zentrum.) Abg. Ribot: Wir beschwören 
keine Gefahr für die Zukunft herauf, aber es hängt von uns ab, uns treu 
zu bleiben. Wir haben vor niemand Furcht, aber wir sind der Ansicht, 
daß wir eine Erörterung nur dann in Angriff nehmen sollen, wenn wir 
dieselbe für die Interessen Frankreichs nützlich halten. Ich möchte in 
diesem Augenblicke kein Wort sagen, das Polemiken wieder erwecken könnte, 
die nur zu lange gedauert haben und die dazu beitragen könnten, zwischen 
zwei Ländern den Zustand der Ungewißheit, des Unbehagens und selbst 
der Spannung zu verlängern. (Bewegung.) Eine einzige Frage liegt heute 
vor: Stimmen wir der Regierung bei oder nicht? Wenn wir ihr zu- 
stimmen, dann müssen wir ihr die erforderliche Autorität geben, damit sie 
nach Algeciras geht, um die Interessen Frankreichs mit der ganzen Kraft 
Frankreichs selbst zu verteidigen. (Lauter Beifall.) Wir müssen uns eng 
um die Regierung scharen. Wenn es einige Wolken gibt, dann hängt es 
von Deutschland und seiner Regierung ab, sie zu zerstreuen, aber es hängt 
von uns ab, dies Werk zu erleichtern, indem wir nach außen den starken 
Eindruck hervorrufen, daß wir unser selbst sicher sind, daß wir von keinen 
inneren Streitigkeiten zerrissen und daß wir alle mit der Regierung, der 
Verteidigerin der Sicherheit und der Ehre Frankreichs, einig sind. (Stür- 
mischer Beisan.) — Ein Vertagungsantrag wird darauf mit 501 gegen 
50 Stimmen angenommen.
	        
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