4 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 10. 12.)
Berlin mitgeteilt. Die Frage der Militärhoheit habe mit den Komman-
dierungen nach Preußen gar nichts zu tun; daraus hätten sich in 35 Jahren
niemals irgendwelche Konflikte oder auch nur Anstände ergeben und die
gemeinschaftlichen Uebungen bayerischer und preußischer Truppen seien im
militärischen Interesse erwünscht. Wenn der König von Bayern diese
Uebungen für geboten erachte, sollte man ihm dieses Recht im bayerischen
Landtage nicht absprechen wollen. — Auf Klagen über Soldatenmißhand-
lungen erwidert der Minister: Die Unteroffiziere würden immer wieder
auf die Unzulässigkeit von Tätlichkeiten hingewiesen, aber da sie mit den
Mannschaften gleichalterig seien, und da sich unter den Mannschaften auch
schlechte Elemente befänden, welche man nicht, wie im Zivilleben, weg-
schicken könne, sondern zu militärisch brauchbaren Leuten erziehen müsse,
so würden die Verfehlungen wohl nie ganz aufhören. Auch bei den Offi-
zieren kämen solche Dinge vor, aber nur bei den jüngsten. Im Jahre 1904
seien 71 Vorgesetzte wegen Mißhandlung angezeigt worden, darunter zwölf
Offiziere. In acht Fällen sei das Verfahren eingestellt worden. Es blieben
somit 63 Vorgesetzte auf 450 Kompanien, Batterien und Eskadronen, also
ein Vorgesetzter auf sieben Kompanien.
Am 26. wird die Forderung einer neuen Feldzeugmeisterstelle durch
den größten Teil des Zentrums abgelehnt.
10. Januar. (Preußen.) Dem Landtag geht folgender
Gesetzentwurf über die Sparkassen zu:
§ 1 lautet: Die öffentlichen Sparkassen haben von ihrem verzinslich
angelegten Vermögen mindestens 30 Prozent in mündelsicheren Schuld-
verschreibungen auf den Inhaber anzulegen, davon mindestens die Hälfte
in Schuldverschreibungen des Deutschen Reiches oder Preußens. Der zu-
ständige Minister kann unter besonderen Verhältnissen ausnahmsweise eine
Herabsetzung des in mündelsicheren Schuldverschreibungen angelegten Ver-
mögensanteiles auf 20 Prozent zulassen. § 2 lautet: Bis zur Erreichung
des in § 1 vorgeschriebenen Gerichtsstandes haben die bisherigen öffent-
lichen Sparkassen ihren Besitz an mündelsicheren Schuldverschreibungen auf
den Inhaber in der Weise zu vermehren, daß sie alljährlich mindestens
zwei Fünftel des Ueberschusses ihres verzinslich angelegten Vermögens-
bestandes über den des Vorjahres in mündelsicheren Schuldverschreibungen
auf den Inhaber und zwar in dem in § 1 vorgesehenen Anteilverhältnisse
anlegen.
10. Januar. (Berlin.) Staatsminister a. D. v. Thielen +. —
Geboren 30. Januar 1830 in Wesel, 1860 Regierungsassessor, 1881
Eisenbahnpräsident, 1891—1902 Minister der öffentlichen Arbeiten.
12. Januar. (Reichstag.) In der Budgetkommission er-
klärt preuß. Minister der öffentlichen Arbeiten v. Budde über die
Personentarifreform:
Es handle sich bei der Personentarifreform nicht um eine preußische
Reform, sondern um ein Kompromiß zwischen den in Betracht kommenden
Bundesstaaten. Es sei zu beklagen, daß die Presse immer noch an dieser
falschen Auffassung festhalte. Unrichtig sei die im Süden herrschende Mei-
nung, daß Preußen unbedingt die vierte Klasse dort eingeführt wissen wolle.
Den Zuschlag für Schnellzüge wolle er abschaffen, den Zuschlag für D-Züge
beibehalten. Der Landeseisenbahnrat habe den Grundgedanken der Reform
günstig ausgenommen. Die jetzigen Verhältnisse seien vollständig veraltet