Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 13./16.) 5
und verknöchert. Die Hetze zu Anfang des letzten Sommers habe er nicht
verstanden, sie habe aber bewiesen, daß die Schreiber von der Sache nichts
verständen. Bezüglich des Freigepäcks spricht sich der Minister ablehnend
aus. Dasselbe führe zu Mißständen. So habe eine Dame, die ins Bad
fuhr, im letzten Sommer 13 Gepäckstücke mitgeführt. Was so etwas in
verkehrsreichen Zeiten bedeute, sei klar. An Plusmacherei denke keine
Bahnverwaltung bei der Reform. Der Vorschlag der Betriebsmittelgemein-
schaft sei von Württemberg ausgegangen, und zwar durchaus loyal. Die
deutschen Bahnen ersparten dadurch 10½ Millionen jährlich. Für den
preußischen Eisenbahnetat mit seinen 1700 Millionen Mark bedeute das so
gut wie nichts. Trotzdem habe er aus nationalen Gründen und im Inter-
esse der kleineren Staaten, für welche die finanzielle Seite mehr Bedeutung
habe, sich den Bestrebungen gern angeschlossen. Die Regelung der Betriebs-
mittelgemeinschaft sei recht schwer wegen der Verschiedenheit der Betriebs-
mittelpreise und der Betriebskosten in den verschiedenen Ländern sowie aus
verschiedenen anderen Gründen. Dazu beständen föderative Bedenken wegen
der Macht des preußischen Ministers innerhalb der Gemeinschaft. Weiter
geht der Minister auf den Wagenmangel ein. Durchaus falsch sei die
Nachricht von einem Krieg zwischen ihm und dem Finanzminister, der nach
einstündiger Beratung ihm 100 Millionen zu den 140 Millionen des Vor-
jahrs für Beschaffung von Betriebsmaterial bewilligt habe. Gegenüber
den süddeutschen Staaten sei er jederzeit loyal und entgegenkommend ver-
fahren. Er vermeide den Schein des Zwanges seitens Preußens.
13.16. Januar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Etats-
beratung. — Justiz und Sozialdemokratie. Wahlreform. Land-
wirtschaftliches. Polenfrage.
Abg. Frhr. v. Erffa (kons.): Der Etat sei günstig. Die Kultur-
aufgaben seien nicht vernachlässigt, die Zuwendungen an die Unterbeamten
seien lobenswert. Die wichtigsten Einnahmequellen, die Eisenbahnen und
die Einkommensteuer erheischten Pflege des Erwerbslebens, daher dürfe die
Reichsfinanzreform nicht mit der Erbschaftssteuer gemacht werden. Die
Regierung verdiene Dank, daß sie die Grenzen für das ausländische Vieh
nicht geöffnet habe. Der sozialdemokratischen Agitation müsse entgegen-
getreten werden; man verstehe im Lande die Untätigkeit der Regierung
nicht. Man brauche gar kein Ausnahmegesetz, die bestehenden Gesetze
reichten zu einer wirksamen Bekämpfung aus. Justizminister Dr. Beseler:
Ich kann den Herren versichern, daß ich durchaus auf dem Standpunkt
stehe, daß energisch und streng vorgegangen werden soll. Sie wissen so gut
wie ich, daß die Entscheidung in diesen Sachen nicht in den Händen der
Verwaltung, sondern in denen der Gerichte liegt, und Sie wissen, daß diese
unabhängig und frei sind, so daß ich jede Erklärung den Gerichten gegen-
über ablehnen muß. Ich kann aber sehr wohl dazu beitragen, daß alles,
was in dieser Beziehung in der Oeffentlichkeit hervortritt, auf das sorg-
fältigste geprüft wird, und daß, wenn das Gesetz verletzt werde, der An-
trag gestellt wird, auf die Tat die Strafe folgen zu lassen. Abg. Dr. Fried-
berg (nl.): Die Lage der Landwirtschaft habe sich etwas gebessert, wie die
Spareinlagen bewiesen, aber sie bedürfe noch dringend der Fürsorge,
namentlich in der Arbeiterbeschaffung. In der Frage der Fleischteuerung
hätte die Regierung weniger dilatorisch vorgehen und für Schlachtungen
an der Grenze und andere Erleichterungen sorgen müssen. Die Eisen-
bahnen müßten stets als Institute für die Volkswirtschaft betrachtet werden,
deshalb dürften sie auch nicht Steuerobjekte für das Reich werden. Dringend
nötig sei eine Reform des Landtagswahlrechts. Abg. Brömel (fr. Vg.)