128 Das Veuische Reich und seine einjelnen Glieder. (Juni 15.)
8 Rittern statt 6 wird mit 59 gegen 26 Stimmen angenommen, des-
gleichen die Wahl von 8 Berufsvertretern statt 4 mit 58 gegen 26 Stimmen.
Das Ernennungsrecht der Krone für die Berufsvertreter wird mit 66
egen 19 Stimmen angenommen, desgleichen das geforderte 25. Lebens-
jahr für die Wahlberechtigten statt des 30. mit 62 gegen 22 Stimmen.
Das Erfordernis des Wohnsitzes der Standesherren in Württemberg wird
mit 63 gegen 10 Stimmen abgelehnt, und das Erfordernis des Wohn-
sitzes im Reich mit 63 Stimmen bei 21 Stimmenthaltungen angenommen.
Endlich wird der Ersten Kammer ein erweitertes Budgetrecht mit 59 gegen
28 Stimmen bewilligt. — Das ganze Gesetz wird mit 64 gegen 23 Stimmen
des Zentrums angenommen.
15. Juni. (Preußisches Herrenhaus.) Volksschulvorlage,
erste Beratung. Generaldebatte; Verfassungsfrage.
Kultusminister Studt: Am 28. Mai d. J. hat das Abgeordneten-
haus mit überwiegender Mehrheit dem Gesetzentwurf über die Unterhal-
tung der Volksschulen in einer Fassung zugestimmt, mit welcher die König-
liche Staatsregierung sich im allgemeinen einverstanden zu erklären in der
Lage war. Es tritt nunmehr an dieses hohe Haus die Aufgabe heran,
sich darüber schlüssig zu machen, ob der vorliegende Gesetzentwurf in der
Ihnen unterbreiteten Gestalt eine geeignete Grundlage für die gedeihliche
Weiterentwickelung für das Volksschulwesen und für das Volksschulrecht
bietet. Bei der außerordentlichen Bedeutung, welche diese Materie be-
ansprucht, halte ich es für meine Pflicht, die Gesichtspunkte darzulegen,
von denen die Staatsregierung bei der Vorbereitung dieses Gesetentwurfs
vorgegangen ist. Am 3. November 1817 erging eine allerhöchste Kabinetts-
order, durch welche das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und
Medizinalangelegenheiten errichtet wurde. Schon an demselben Tage er-
ging gleichzeitig ein allerhöchster Erlaß, durch welchen eine Immediat-
kommission eingesetzt wurde, mit der Aufgabe auf einheitlicher Grundlage
für den gesamten Umfang der Monarchie das Unterrichtswesen zu ordnen
und vor allen Dingen auch für die Volksschule auf der Grundlage des
Kommunalprinzips eine Neuordnung in Aussicht zu nehmen. Seit dieser
Zeit hat sich die Unterrichtsverwaltung ununterbrochen mit dieser mühe-
vollen Aufgabe beschäftigt. Es gelang zunächst, nach etwa 30 Jahren,
abgesehen von Neuvorpommern, die Provinzialschulordnung für die neu-
gebildete Provinz Preußen zustande zu bringen. Weitere gesetzliche Maß-
nahmen waren bisher nicht zu erreichen. Die Verfassung bestimmt in
Artikel 25, daß die Mittel zur Errichtung und Unterhaltung der öffent-
lichen Volksschulen von den Gemeinden aufzubringen seien. Alle Schul-
gesetzentwürfe, die seit der Verfassung aufgestellt wurden, fußten darauf,
aber trotz schwerer Kämpfe und Mühen gelang es nicht, einen solchen Ent-
wurf zu verabschieden. Es hinderte dabei, daß nach Art. 126 der Ver-
fassung wiederholt Versuche gemacht wurden, ein einheitliches Unterrichts-
gesetz für das gesamte Volksschulwesen zustande zu bringen, was aber bei
dem großen Umfang der Materie und ihrer besonderen politischen und
finanziellen Schwierigkeit nicht möglich war. Nach dieser Erfahrung hat
sich die Regierung entschlossen, in Uebereinstimmung mit dem sogenaunten
Kompromißantrag des Abgeordnetenhauses vom 13. Mai 1904 sich im
vorliegenden Gesetzentwurf lediglich auf die Materie der Schulunterhaltung
zu beschränken und sonstige Fragen des Schulrechtes und der Schulverwal-
tung nur soweit einzubeziehen, als sie mit der Schulunterhaltung im Zu-
sammenhang stehen, daß die Schulunterhaltung dringend der Regelung
bedarf, darüber herrscht wohl in diesem Hause kein Zweifel. Der Rechts-