154 Das Henische Reich und seine einjelnen Glieder. (August 18. 20./23.)
Preußen, eine Fürstin, die, wie Stein von ihr schreibt, mit allem Glanz
äußerer Schönheit ein herrliches, für jedes Edle und Große empfängliches
Gemüt verbindet. In den schwersten Zeiten des Vaterlandes war sie dem
tiefgebeugten Königspaar ein Trost und dem Lande ein Segen. Als der
Gram über ihres Volkes Not das Herz der edlen Königin Luise gebrochen
hatte, sorgte Prinzessin Wilhelm für das verwaiste königliche Kind in liebe-
voller mütterlicher Weise. Sie war es, die ihrem Neffen, dem späteren
großen Kaiser Wilhelm, den Trost warmer Verwandtenliebe empfinden ließ,
als er am Abend seines Konfirmationstages in mächtig bewegter Zeit ver-
einsamt war. Sie war es, die 1813 den Aufruf der königlichen Prinzessin
an die Frauen im preußischen Staate zur Gründung des ersten Frauen-
vereines erließ, der sich die Linderung der Not im Vaterlande durch opfer-
willige Werke barmherziger Nächstenliebe zur Aufgabe setzte. Welch ein
Segen hat auf dem Werk dieser Frauen geruht! Und so übergebe Ich der
Stadt Homburg vor der Höhe dieses Denkmal. Möge es allezeit in Ehren
gehalten werden; möge das Andenken an das erloschene Fürstengeschlecht
wie die Liebe an das Vaterland, Kaiser und Reich ein ruhmvolles Erbe
von Homburgs Bürgerschaft bleiben!
18. August. (Bayern.) Beide Kammern des Landtags wer-
den durch eine Botschaft des Prinzregenten vertagt.
20./23. August. (Essen.) 53. Generalversammlung der Katho-
liken Deutschlands.
Zum Präsidenten wird Abg. Gröber (3.) gewählt. Es nehmen
daran teil Erzbischof Kardinal Fischer und Kardinal Vannutelli als Spezial-
vertreter des Papstes. Die regelmäßige Teilnehmerzahl beträgt gegen
12000, außerdem findet am 20. ein Festzug von 45000 Arbeitern statt.
Nach der Einladung soll der Tag die Klüfte zu überbrücken suchen, die
zwischen den Ständen klaffen; er soll uns aufs neue begaben mit Duldung
und Edelsinn zum friedlichen Verkehr mit unseren deutschen Brüdern, die
von uns, wie der Ratschluß der Vorsehung es zugelassen hat, getrennt im
Glauben sind, begaben mit Ehrlichkeit und Ritterlichkeit. — Referate:
Abg. Dr. Porsch über die Schulfrage gibt einen Ueberblick über die Be-
strebungen seit 1878, besonders seit 1892. Dem neusten Schulgesetz stehe
das Zentrum mit geteilten Gefühlen gegenüber, habe es aber angenommen,
weil seinen weitergehenden Wünschen nicht präjudiziert werde. Die kon-
fessionelle Beschulung der Kinder werde hierdurch besser als in jedem an-
dern Lande gesichert, auch in den Simultanschulen müsse das katholische
Bekenntnis geschont werden. Wir wollen nicht, wie man uns fälschlich
nachzusagen beliebt, die Herrschaft der Kirche über die Schule, aber wir
wollen allerdings, daß die Schule so eingerichtet werde, daß ihr alle katho-
lischen Hausväter ihre Kinder anvertrauen können. Damit wollen wir
nicht der Macht der Kirche dienen, sondern der Ehre Gottes und dem
Wohle des Vaterlandes, dessen Haupt über uns herrscht von Gottes Gnaden.
Stürmischer Beifall.) Kaufmann Nikole Racke spricht über das Familien-
eben und das gesellschaftliche Leben nach christlicher Auffassung. Ober-
landesgerichtsrat Burlage über die Römische Frage: Der Papst müsse
frei und wirklicher Souverän sein. Die deutschen Katholiken wollen die
Freiheit und Unabhängigkeit des Papsttums; wie aber der Ausgleich zwi-
schen dem Papsttum und Italien im einzelnen sich gestalten mag, sei nicht
unsere Sorge. Wir deutschen Katholiken haben es bereits früher aus-
gesprochen, und erklären aufs neue, daß wir mit einem Ausgleich uns
zufrieden geben, dem der Heilige Vater in seiner vom Himmel her be-