236 Die ästerreithisqh-nngarische Monarchie. (Januar 22.—31.)
bulgarischen Zollunion und des austro-serbischen Handelsvertrages auf ihrem
früheren Standpunkt beharre, daß sie also einen neuen Handelsvertrag mit
Serbien nicht abschließen werde, wenn das Gesetz über die Zollunion mit
Bulgarien der Skupschtina vorgelegt werden sollte. Gebe Serbien nicht
nach, so werde am 1. März d. J. ein vertragsloser Zustand eintreten und
die ungarische Grenze gegen die Einfuhr serbischen Viehes gesperrt werden.
— Am 20. schreibt die „Neue Freie Presse“: „Die serbische Regierung
lehnte die Forderung der Regierung Oesterreich-Ungarns, daß alle von ihr
als notwendig bezeichneten Aenderungen am serbisch-bulgarischen Handels-
vertrag vorgenommen werden, ab und behielt sich nur vor, jene Aende-
rungen vorzunehmen, die durch den Vertrag mit Oesterreich-Ungarn not-
wendig würden und gemeinsam festzustellen wären. Daraufphin teilte der
Gesandte Czikann der serbischen Regierung mit, daß ihre Antwort nicht
genüge und die Vertragsverhandlungen daher nicht wieder ausgenommen
werden können.“
Am 22. Januar erläßt die ungarische Regierung eine Verordnung,
durch welche unter Berufung auf die Veterinärkonvention die Einfuhr von
Rindern, Ziegen und Schafen aus Serbien wegen Milzbrand und die Ein-
fuhr von Schweinen von dort wegen Schweinepest untersagt wird. Wegen
unterlassener Anzeige dieser Seuchenfälle wird die Einfuhr frischen Fleisches
aller dieser Tiere aus Serbien gleichfalls verboten.
22. Januar. (Wien.) Der Kaiser empfängt eine Abord-
nung Ruthenen, die ihm ihre Wünsche für die Wahlreform in Öst-
galizien vortragen.
24. Januar. (Cisleithanien.) Der Versuch des Minister-
präsidenten v. Gautsch, einige parlamentarische Führer, namentlich
Derschatta (dt. Vg.) und Pacak (Tsch.) ins Kabinett aufzunehmen,
scheitert, weil die Tschechen zu weitgehende nationale Forderungen
stellen.
27. Januar bis 2. Februar. (Wien.) Graf Andrassy ver-
handelt im Namen der ungarischen Koalition mit dem Kaiser. Der
Kaiser lehnt die Vorschläge der Koalition ab.
31. Januar. (Cisleithanien.) Im Abgeordnetenhause er-
klärt der Handelsminister Fürst Auersperg über die Zollverhand-
lungen mit Serbien:
Die sogenannte Zollunion bedeutet lediglich eine Festsetzung des
Differenzialsystems zu ungunsten fremder Produkte. Oesterreich-Ungarn
muß um so mehr gegen eine derartige Verletzung dieses Grundrechtes
Stellung nehmen, als es selbst bekanntlich aus seinem alten Tarif und
den ablaufenden Verträgen alles ausschied, was mit einer subtilen Aus-
legung der Meistbegünstigung nicht vereinbar ist. Die beiden Regierungen
seien nach pflichtgemäßer Prüfung dieses vorher von Serbien und Bul-
garien sorgfältig geheimgehaltenen Vertrages zu der Ueberzeugung ge-
kommen, daß der sogenannte Unionsvertrag in einer Reihe wesentlicher
Punkte mit dem eigenen Interesse Oesterreich-Ungarns nicht vereinbar er-
scheine. Mit Rücksicht auf die Haltung der serbischen Regierung war
man österreichisch-ungarischerseits genötigt, die Zollverhandlungen zu unter-
rechen.