Bie Ferreichisczzungarische Monarcie. (Februar 5.) 237
5. Februar. (Ungarn.) Bericht über die Verhandlungen
zwischen Krone und Koalition.
Der „Budapesti Hirlap“ (Andrassys Organ) schreibt: „Die vom
Grafen Andrassy den Führern der koalierten Parteien überbrachte könig-
liche Botschaft gipfelte in nachstehenden vier Punkten: 1. Die Koalition
solle die Regierung übernehmen. 2. Betreffs der militärischen Reformen
sei das Elaborat des Neunerkomitees maßgebend, dessen Bestimmungen
durchgeführt werden sollen. 3. Die Koalition solle für die Inartikulierung
des deutschen Handelsvertrages Sorge tragen. 4. Auf dem Gebiete der
inneren Angelegenheiten werde der Koalition freie Hand gelassen.
Graf Andrassy teilte diese Botschaft dem leitenden Ausschusse mit.
Sämtliche Führer, sowohl die auf der 67er Basis als die auf der Grund-
lage der Personalunion stehenden, stimmten darin überein, daß die Bot-
schaft Sr. Majestät nicht einfach abgelehnt werden dürfe, weil sonst das
leitende Komitee mit schwerer Verantwortung belastet werden würde. Es
wurde sodann in Vorschlag gebracht, daß die 67er Parteien die Regierung
übernehmen und daß die Mitglieder der Unabhängigkeitspartei dieser Re-
gierung eine stillschweigende Unterstützung gewähren sollen. Dieser Ge-
danke wurde aus verschiedenen Gründen fallen gelassen. Es wurde viel-
mehr beschlossen, auf die Botschaft des Monarchen folgende Gegenvor-
schläge zu machen: 1. Die Koalition übernimmt die Regierung. 2. Die
Koalition, respektive der leitende Ausschuß, hält an dem Inhalte der
früheren Adresse des Abgeordnetenhauses fest. Se. Majestät richtet auf
Grund einer Vereinbarung mit der Regierung als Antwort auf diese Adresse
ein königliches Reskript an den Reichstag. 3. Wenn von allen Seiten ein
ehrlicher Friede gewünscht wird, woran nicht gezweifelt werden kann, so
muß die Regierung Errungenschaften aufweisen, um die Nation zu be-
ruhigen. Darum akzeptiert die Koalition den deutschen Handelsvertrag,
aber sie schließt denselben auf Grund des selbständigen Verfügungsrechtes
ab. Mit Oesterreich wird eine Vereinbarung auf Grundlage des Frei-
handels abgeschlossen. 4. Die neue Regierung führt die Valutaregulierung
durch und errichtet eine selbständige ungarische Nationalbank. 5. Zu den
militärischen Fragen macht der Ausschuß folgenden Vorschlag: Der leitende
Ausschuß kann die Weigerung Sr. Majestät, den nationalen Forderungen
zu entsprechen, nur so verstehen, daß der Monarch hinsichtlich der Voll-
ständigkeit und der Bestimmtheit des nationalen Willens in bezug auf die
militärischen Forderungen Zweifel hegt. Denn dies wäre der einzige vom
verfassungsmäßigen Standpunkte zu akzeptierende Grund der Weigerung.
In dieser Voraussetzung proponiert der leitende Ausschuß, daß die mili-
tärischen Forderungen bis zu einer neuen Entscheidung der Nation in
suspenso bleiben mögen, es möge aber auch jede weitere Entwicklung der
Armee suspendiert werden und es werde lediglich die Bewilligung des
ordentlichen Rekrutenkontingents und des Militärbudgets gewährleistet.
Zur Vorbereitung der Entscheidung der Nation nimmt die Koalition so-
fort die Wahlreform in Angriff und verfügt nach Beendigung derselben
die Neuwahlen. Denn wenn nicht der Zweifel der Krone bezüglich des
nationalen Willens die Basis der abweisenden Haltung bildet, so kann
dies nur bedeuten, daß der König auf diesem Gebiete das Recht der Nation
auf eine Ingerenz nicht anerkennt; das würde aber nur eine unvoll-
kommene Verfassungsmäßigkeit und einen unvollkommenen staatlichen Or-
ganismus bedeuten, und eine derartige Auffassung könne die Koalition
selbst zum Zweck der Vermeidung der allerschwersten Uebel nicht akzeptieren.
6. Die neue Regierung sorgt noch vor Auflösung des Hauses für eine