Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

300 Großbrilannien. (Juli 5.) 
werden Sie der Notwendigkeit extremer Maßnahmen gegenüberstehen. — 
Ueber Japan und Frankreich sagt er: Japan verwendet jene Tatkraft, 
welche die so bemerkenswerten Ergebnisse der letzten Jahre gewirkt haben, 
jetzt auf die Künste des Friedens, auf die Leitung Koreas, die eine große 
Aufgabe darstelle und auf Entwickelung seiner eigenen Hilfsquellen. Wir 
verfolgen in Asien keine Abenteurerpolitik, sie ist im Gegenteil eine Politik 
der Konsolidierung. Das Ergebnis der Lage ist dies, daß die Allianz, 
wie sie heute besteht, jedem Verbündeten das Gefühl gegenseitiger Sicher- 
heit gibt, ohne irgend jemand sonst eine Quelle der Beunruhigung zu sein. 
Ich habe die Zuversicht, daß das Bündnis lange so bleiben und an Stärke 
und an Vertrauen zu jenen Bedingungen gewinnen wird. Die frühere 
Regierung traf mit Frankreich ein Uebereinkommen, welches seit langem 
zwischen England und Frankreich bestehende Schwierigkeiten beseitigte und 
unter gewissen Bedingungen eine diplomatische Unterstützung versprach. 
Ich habe nur zweierlei über unser gutes Einvernehmen mit Frankreich zu 
sagen: Erstens: Das gute Einvernehmen ist nicht gegen irgend ein anderes 
Land gerichtet; zweitens: Es muß allgemein anerkannt werden, daß das 
gute Einvernehmen nicht beeinträchtigt werden kann durch irgendwelche 
anderweitige Eutfaltung unserer auswärtigen Politik. Je klarer diese zwei 
Dinge im Geiste zum Ausdruck kommen, desto klarer wird in die Er- 
scheinung treten, daß weder für England noch für Frankreich das gute 
Einvernehmen zwischen uns ein Hindernis ist für gute und herzliche Be- 
ziehungen zu anderen Mächten. — Ueber Rußland sagt er: Je weniger 
Raum die Erörterung einnimmt, die in diesem Hause über russische An- 
gelegenheiten slattfindet, desto besser ist es; aber wenn wir diese Angelegen- 
heiten erörtern müssen, so wollen wir uns in ruhiger Weise darüber klar 
werden, wie sich die Lage verhält. Der russische Kaiser, die russischen Mi- 
nister und das Parlament sind nicht verantwortlich für die Judenmetzeleien. 
Es ist behauptet worden, daß die russische Regierung an den Bjialystoker 
Judenmorden beteiligt gewesen sei, aber ich habe eine glaubwürdige Mit- 
teilung erhalten, wonach die Zentralregierung weder gewußt noch durch 
Stillschweigen geduldet hat, was in Bjalystok vor sich ging. Was die an- 
geregten amtlichen Vorstellungen betrifft, so bin ich der Ansicht, daß es 
drei Parteien in Rußland gibt, nämlich eine reaktionäre, eine Reform- 
partei und eine revolutionäre, und daß jede Einmischung eines Außen- 
staates nicht die Reformpartei stärken wird, sondern eine der beiden an- 
deren Parteien. Bezüglich der Kreuzfahrt in der Ostsee weist der Staats- 
sekretär darauf hin, daß die Flotte auf der vorjährigen Fahrt in die Ostsee 
keine russischen Häfen angelaufen habe und bemerkt, es würde sicherlich 
außerordentlich unpassend sein, wenn sie auch in diesem Jahre bei Gelegen- 
heit ihrer Kreuzfahrt in der Ostsee die russischen Häfen nicht besuchen würde. 
Da nun bestimmte Dinge vorgefallen sind, seitdem die diesjährige Kreuz- 
fahrt geplant ist, ist vorgeschlagen worden, die Kreuzfahrt aufzugeben. Der 
Flottenbesuch steht in keinerlei Beziehungen zu den inneren Angelegen- 
heiten Rußlands. Er soll nur eine Ehrenerweisung für den russischen 
Kaiser sein; er geschieht in freundlicher Absicht gegenüber der bestehenden 
russischen Regierung, und ich kann mir keinen Flottenbesuch in russischen 
Häfen vorstellen, der nicht zugleich als Besuch des russischen Volkes ver- 
anstaltet ist. Ich verspreche mir von der Zukunft eine Zunahme der guten 
Beziehungen zu der russischen Regierung und dem russischen Volke. Ruß- 
land macht jetzt eine für das Volk wie für die Regierung kritische und 
schwere Zeit durch. Alles, was sich ereignet hat, läßt Anzeichen von Lebens- 
kraft, Energie und den Charakter eines großen Volkes hindurchblicken, das 
sich den Weg zu einer großen Zukunft bahnen wird. Unsere Sympathie
	        
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