Mas Venische Reich und seine einjeluen Glieder. (März 26./28.) 75
deutschen Flotte haben sich im Laufe der Jahre allerdings erheblich ge-
ändert. Es haben sich die Zeiten geändert, und es haben sich die Be-
dingungen für eine Flotte geändert. Demzufolge haben alle diejenigen,
die auf nationalem Standpunkt stehen, auch wenn sie abweichend in bezug
auf die Flotte gedacht haben, ihre Ansichten auch geändert. Allerdings,
der Abg. Bebel hat seine Ansichten nicht geändert (Heiterkeit), und ich
glaube, er steht mit dieser Ansicht von der Nichtnotwendigkeit der deutschen
Flotte mit seinen Parteigenossen doch jetzt ziemlich allein. Ich glaube nicht
einmal, daß der Abg. Bebel und seine Fraktion unter sich ganz einig über
die Frage sind. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Aber sehr!) Sie sagen
„Sehr“, da möchte ich doch einen kurzen Auszug aus einem Aussatz in den
Sozialistischen Monatsheften vorlesen, den ein früherer Fraktionsgenosse
des Abg. Bebel geschrieben hat. Ich möchte dabei ausdrücklich betonen, daß
ich mit den Auslassungen dieses Artikels über unser Verhältnis zu Eng-
land in keiner Weise übereinstimme. Der frühere Abg. Calwer schreibt:
Es ist grundverkehrt, jetzt so zu tun, als ob die deutsche Politik, nament-
lich die Schaffung einer deutschen Kriegsmarine England gewissermaßen
provoziert habe. Man kann als Parteimann sehr wohl auf einem die
deutsche Flottenpolitik ablehnenden Standpunkt stehen, aber dann beschränke
man seine ablehnende Haltung nicht auf sein eigenes Land, sondern dehne
sie auf seine guten Nachbarn aus (Sehr richtig!), die den Deutschen erst
gezeigt haben, daß der Besitz einer starken Flotte die Stellung im Rahmen
der hohen Politik ebenso gewährleistet wie der Besitz einer mit stärkerer
Goldbasis ausgerüsteten Zentralbank die Geltung auf dem internationalen
Geldmarkt. Oder will etwa jemand im Ernste behaupten, Englands Feind-
schaft gegen Deutschland wäre nicht vorhanden, wenn Deutschland keine
Flotte besäße? Gut, von diesem kleinbürgerlichen Standpunkt mochte man
Politik treiben in Zeiten, wo Deutschland noch wenig in die Weltmachtwirtschaft
verstrickt war, aber heute, wo Deutschland England und den Vereinigten
Staaten ebenbürtig zur Seite steht und nicht umhin kann, in allen Fragen
der Weltpolitik im Interesse seiner Industrie Stellung zu nehmen, kann
man wohl die Flottenpolitik aller modernen Industriestaaten verurteilen,
aber man kann dem eigenen Lande nicht zumuten, eine Ausnahmestellung
einzunehmen, die recht verhängnisvoll sein kann. So wie die realen Ver-
hältnisse liegen, hängt das Ansehen eines Staates von seiner Schlagfertig-
eit zu Wasser und zu Lande ab. Der russisch-japanische Krieg ist dafür
eine eindringliche Lehre. Hätte Japan verzichtet, sich eine kriegstüchtige
Rüstung anzueignen, es hätte sich nicht nur gegen Rußland nicht wehren
können, es wäre trotz aller militärischen Erfolge von den Großmächten nicht
als ihresgleichen anerkannt worden, es wäre auch nicht imstande gewesen,
für seine wirtschaftliche Entfaltung freie Bahn zu erhalten. Das schreibt
ein Fraktionsgenosse Bebels. Ich will dahingestellt sein lassen, ob wirklich
die gebildete Arbeiterschaft der Partei des Herrn Bebel in dieser Frage
vollständig hinter den Ausführungen des Herrn Bebel, ihres Chefs, steht.
(Heiterkeit.) Er hat dann weiter gesagt, unsere frühere Marine hätte sich
in früheren Jahren in bezug auf die Fortentwicklung in einem Zickzackkurs
bewegt. Man hätte schließlich gar nicht mehr gewußt, wohin die Reise
ging. (Widerspruch des Abg. Bebel.) Es bleibt doch das bestehen, daß,
wenn es tatsächlich so gewesen ist oder wäre — ich will mir darüber kein
Urteil erlauben — wir doch um so mehr froh sein müssen, daß das Gesetz
jetzt vorhanden ist. (Lebhaftes Sehr richtig! rechts, Widerspruch bei den
Sozialdemokraten.) Der Abg. Bebel hat ferner bemängelt, daß wir mit
Forderungen gekommen sind, die in dem Flottengesetz nicht vorgesehen
wären. Das ist ja gerade der Grund, weshalb das Flottengesetz sich seiner-