Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1908. (49)

24 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar Anfang.) 
Wahlfrage in Preußen die Blockpolitik mißbilligen. Sie werden 
von den übrigen Liberalen meist verspottet. 
Anfang Februar. (Bayern.) Der Erzbischof von Bamberg 
verbietet dem liberalen Abg. Pfarrer Grandinger in der Schulfrage 
für die liberale Partei zu arbeiten durch folgendes Schreiben: 
Ich nehme Bezug auf mein Schreiben vom 7. Dezember 1907 an 
Euer Hochwürden. Bei dieser Gelegenheit fühle ich mich veranlaßt, Euer 
Hochwürden darauf hinzuweisen, daß ich seinerzeit die zur Annahme des 
Abgeordnetenmandats erforderliche Erlaubnis nur unter der ausdrücklichen 
Bedingung erteilt habe, daß Sie der liberalen Partei weder als Mitglied 
noch als Hospitant beitreten. Wenn Sie, wie Sie erklären, als Heimat- 
kandidat Interessen Ihres Wahlkreises in einer von jener der Zentrums- 
partei divergierenden politischen Richtung in der Abgeordnetenkammer ver- 
treten wollen, kann und will ich Ihnen kein Hindernis in den Weg legen, 
sofern Sie nur in Fragen religiöser oder kirchlicher Natur den korrekten 
Standpunkt wahren. Aber daß Sie als Reiseprediger des Liberalismus 
das Land durchziehen, ist mit der Stellung und dem Beruf katholischer 
Priester unvereinbar, erregt in weitesten Kreisen des katholischen Volkes 
Aergernis und kennzeichnet sich als ungeheuerliche Erweiterung der Ihnen 
seinerzeit unter bestimmtem Vorbehalte gegebenen Erlaubnis zur Annahme 
des Abgeordnetenmandats. Sie schrieben mir am 12. Dezember 1907 unter 
anderem: „Exzellenz dürfen sich versichert halten, daß es mir fern liegt, 
außer in der Defensive mich durch Agitationsreisen in den Vordergrund 
zu schieben, anzugreifen und den prononzierten Parteistandpunkt zu betonen; 
sobald die Zentrumspresse aufhört, mich zu beleidigen, habe ich keinen 
Grund, über die parlamentarischen Pflichten hinaus mich zu betätigen."“ 
Ich glaubte, auf die Noblesse Ihres Charakters rechnen und mit dieser 
allerdings sehr verklausulierten Erklärung mich vorläufig zufrieden geben 
zu sollen, sehe mich hierin jedoch bitter und schmerzlich enttäuscht. Nicht 
nur, daß Sie unterdessen ohne jede Veranlassung eine Agitationsreise nach 
Zeitz und Germersheim unternommen haben im Interesse der liberalen 
Partei, zu welcher ich Ihnen den Beitritt ausdrücklich untersagt habe, 
schicken Sie sich, wie ich eben lese, auch noch an, in der Schulfrage mit 
den liberalen Parteien gemeinsame Sache zu machen. Nun ist Ihnen doch 
nicht unbekannt, daß der Standpunkt, den die liberale Partei in der Schul- 
frage einnimmt, der erste und Hauptgrund war, auf welchen hin ich Ihnen 
den Beitritt zur liberalen Partei, in irgend welcher Form es auch geschehe, 
untersagte. Endlich sind Sie, wie die Blätter berichten, gesonnen, am 
14. Februar in Nürnberg auf Veranlassung des Jungliberalen Vereins 
einen öffentlichen Vortrag zu halten. Das Aergernis, welches die Art und 
Weise Ihres Vorgehens in weitesten Kreisen des katholischen Volkes un- 
bestreitbar fortgesetzt erregt, macht es mir zur dringenden Pflicht, nachdem 
meine Mahnungen sich als fruchtlos erwiesen, Euer Hochwürden auf den 
kanonischen Gehorsam hinzuweisen, zu dem Sie mir, Ihrem Bischof, durch 
das Ordinariatsgelöbnis verpflichtet sind. Kraft meines oberhirtlichen Amtes 
verbiete ich Ihnen zur Vermeidung weiterer Aergernisse und im Interesse der 
Würde des katholischen Priesterstandes ebenso ernst als gemessen, in der Schul- 
frage mit der liberalen Partei gemeinsame Sache zu machen, und den an- 
gekündigten Vortrag in Nürnberg abzuhalten. Friedrich Philipp, Erzbischof. 
Anfang Februar. (Bayern.) Die Bischöfe verbieten den 
Studenten der katholischen Theologie, die Vorlesungen des Prof.
	        
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