Das Dentse Reih und seine einzelnen Glieder. (April 26.—28.) 89
II. Memorandum. Bei Unterzeichnung der Deklaration vom heu-
tigen Tage stellen die Unterzeichneten im Namen ihrer Regierungen fol-
gendes fest: 1. daß der durch diese Deklaration anerkannte Grundsatz der
Aufrechterhaltung des status quo nur die territoriale Integrität aller
gegenwärtigen Besitzungen der hohen vertragschließenden Teile in den an
die Nordsee grenzenden Gegenden ins Auge faßt, daß daher die Deklaration
in keiner Weise angerufen werden kann, sobald es sich um die freie Aus-
übung von Hoheitsrechten der hohen vertragschließenden Teile über ihre
obenerwähnten Besitzungen handelt; 2. daß im Sinne der Deklaration die
Nordsee sich nach Osten bis zu ihrer Vereinigung mit dem Gewässer der
Ostsee erstreckt.
26./27. April. (Magdeburg.) Der Parteitag der national-
liberalen Partei Preußens fordert Reform des preußischen Wahl-
rechts. —
Von der Einführung des Reichstagswahlrechts ist abzusehen. Die
Reform hat den veränderten tatsächlichen Zuständen und dem Rechts-
bewußtsein unserer Zeit zu entsprechen. Deshalb verlangen wir eine Neu-
einteilung der Wahlkreise, die jedoch nicht einseitig die Bevölkerungsziffer
berücksichtigen darf, sondern der geschichtlichen, wirtschaftlichen und kultu-
rellen Bedeutung der verschiedenen Landesteile und Bevölkerungsschichten
Rechnung zu tragen hat. Wir verlangen bei der Bemessung des Wahl-
rechts des einzelnen Bürgers neben der Bewertung der Steuerleistung die
Heranziehung ideeller Momente, die den Wert der Einzelpersönlichkeiten
für den Staat bestimmen. Wir wollen endlich, um dem Wähler zu er-
möglichen, das ihm anvertraute Wahlrecht frei und uneingeschränkt aus-
zuüben, die indirekte durch die direkte, die öffentliche Stimmenabgabe durch
die geheime ersetzen.
27./29. April. (Bielefeld.) Kirchlich-sozialer Kongreß.
Referate: Professor Lütgert: Was heißt christliche Arbeiterbewegung?
Fräulein M. Behm: Die Frauen und die christlichen Arbeiterinnen
und Dienstbotenbewegung. Lic. Mumm: Ein ständiges christlich-
nationales Seminar zur Ausbildung von Arbeitersekretären.
28. April. (Bayerische Abgeordnetenkammer.) Finanz-
minister v. Pfaff betont die Notwendigkeit der Reichsfinanzreform:
Ungedeckte Matrikularbeiträge widersprächen jeder gesunden Finanz-
politik. Reichsschatzsekretär Sydow habe bei seiner Anwesenheit in München
ein förmliches Programm für die Finanzreform nicht mitgebracht. Ueber
die Einzelheiten seiner Besprechung mit dem Reichsschatzsekretär könne er
keine Mitteilungen machen. Die in die Presse gebrachten Angaben darüber
stammten nicht von ihm. Direkten Reichssteuern werde Bayern unter
keinen Umständen zustimmen. Die Reichsfinanzreform müsse sich auf den
Ausbau der indirekten Steuern stützen. Wenn weitere Einnahmegquellen
nötig seien, so sei die Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf die Deszendenten
der gangbarste Weg. Gegen die sogenannte Veredlung der Matrikular-
beiträge müsse er sich aussprechen, falls sie auf indirektem Weg einen Ein-
griff in die Steuergesetze der einzelnen Bundesstaaten bedeuten würde.
Zurzeit lasse sich das Erträgnis der Einkommensteuer in den einzelnen
gundesstaaten wegen der Verschiedenheit der Steuergesetzgebung nicht ver-
gleichen.