Das Denisqe Reich und seine einzelnen Glieder. (März 6. 8.) 85
Aufbringung sogenannter „Besitz“-Steuern zustande gekommen, dem auch
die konservativen Mitglieder zugestimmt haben. Diese Zustimmung hat
sich indes nur auf die erste Lesung der Vorlage bezogen und muß um so
mehr als durchaus bedingt angesehen werden, als jener oben erwähnte
Beschluß zweifellos Eingriffe in die finanzielle Selbständigkeit der Einzel-
staaten enthält, denen kaum die Mehrheit, keinesfalls aber die gesamte
konservative Fraktion wird zustimmen können. Dieses haben auch die
konservativen Kommissionsmitglieder bei Motivierung ihrer Abstimmung
erklärt, und man wird deshalb jener Zustimmung nur eine taktische Bedeutung
behufs Ermöglichung der Weiterberatung der gesamten Vorlage beimessen
dürfen. In der Sache selbst hat die konservative Fraktion völlig freie Hand."“
6. März. (Berlin.) Unter Vorsitz des Professors Tönnies
aus Kiel wird die Grundlegungsversammlung der Deutschen Gesell-
schaft für Soziologie abgehalten.
6. März. (Bayern.) Der liberale Pfarrer Tremel wird
durch das Bamberger erzbischöfliche Ordinariat suspendiert und
auf seine Kosten der Bamberger Subregenz Kümmelmann als Pfarr-
vikar nach Volsbach berufen
8. März. (Sigmaringen.) Bei der Beisetzung der Fürstin
Maria Therefia von Hohenzollern ist der Kaiser durch Prinz Oskar
vertreten.
8. März. (Baden.) Bei der Landesausschußsitzung des
Deutschen Flottenvereins erwähnt Admiral v. Köster, daß der
badische Landesverein gegen 7000 Mitglieder umfasse, daß aber
wegen des Streites im letzten Jahre 560 Mitglieder ausgetreten
seien. Der Admiral betonte, daß der Flottenverein nach wie vor
unpolitisch sei und bleibe.
8. März. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) General-
besprechung des Etats für Handel und Gewerbe. Rede des Mi-
nisters Delbrück:
Von verschiedenen Seiten ist die Wirtschaftspolitik des Deutschen
Reichs gelobt und getadelt worden. Man darf die Wirtschaftspolitik eines
großen Staates nicht beurteilen nach Einzelerscheinungen, sondern nur in
ihrer Totalität. Es liegt in der Natur der Dinge, daß jede Wirtschafts-
politik neben einer Reihe von Erfolgen auch eine Reihe von Unbequem-
lichkeiten zur Folge hat, die in den Kauf genommen werden müssen. Es
ist in einem großen staatlichen Wirtschaftsorganismus genau so wie bei
großen landwirtschaftlichen und Gewerbebetrieben. Auch hier gibt es immer
notleidende Betriebsabteilungen, die nicht vernachlässigt werden dürfen, weil
sie in ihrer Beziehung zum Ganzen unentbehrlich sind. Man muß ver-
suchen, einen Ausgleich zu finden der Schäden und der Mängel, die
naturgemäß jedem wirtschaftlichen Prinzip anhaften. Man muß sich aber
hüten, während einer bestimmten Dauer, für welche die Wirtschaftspolitik
festgelegt ist, einzugreifen in diese Politik. Man muß sich hüten, Auf-
hebung von Zöllen zu verlangen, wenn sie augenblicklich unbequem sind,
nachdem man ihre Vorteile genossen hat. Man muß sich hüten, Vorteile