Das Hetsche Reich und seine eintelnen Glieder. (Juli 3. 4.) 251
der seine Macht in einer Weise ausgenutzt, daß es im ganzen Deutschen
eich aufs allerunangenehmste empfunden wird. 1897 i es wegen un-
lautern Wettbewerbs verurteilt worden (hört, hört! links), das Kammer-
gericht hat seine Schiedsgerichtsklauseln für unwirksam erklärt. Ich lege
die Urteile auf den Tisch des Hauses nieder. Die Geschäftsführung der
Zentrale ist durchaus nicht vorbildlich. Zentrum und Rechte, die die Inter-
pellation über die Kohlenpreise eingebracht haben, schaffen hier ein Gesetz,
das ein Syndikat zuwege bringt, gegen das niemand mehr, kein Richter,
ankommen kann. Wieder geht es gegen den Mittelstand. Die ganze
Vorlage ist darauf zugeschnitten, daß eine ringfreie Brennerei absolut nicht
mehr existieren kann. Die ganze verarbeitende Industrie, für Zellulose,
künstliche Seide, die chemische Industrie, wird auf Gnade und Ungnade
der Zentrale ausgeliefert. Das kann niemand in diesem Hause, er müßte
denn persönlich an solchen Dingen interessiert sein, für berechtigt halten.
Die Debatte über den Paragraphen 1 der Branntweinvorlage dauerte
bis 3 Uhr. Es kam dabei zu großen Lärmszenen und stürmischen An-
griffen der Linken gegen die Rechte und die Regierung. Nicht weniger
als acht Anträge auf namentliche Abstimmungen liegen vor. Diese Ab-
stimmungen beginnen um 3 Uhr.
Das Ergebnis der ersten bestätigt die Mehrheit von 207 Stimmen.
gegen 150. Als bei den folgenden Paragraphen mit der Beratung fort-
gefahren wird, entstehen stürmische Szenen, wie sie der Reichstag nur beim
Zolltarif erlebt hat. Dem Präsidenten zerbricht die Glocke. Dem
Schatzsekretär Sydow, der mehrmals mit den Worten beginnt: „Die ver-
bündeten Regierungen stehen auf dem Standpunkt.. “, wird durch die
Heiterkeitsstürme das Reden unmöglich gemacht. Die Sitzung ist lange
Minuten in Lärm aufgelöst. Endlich kommt der Staatssekretär zum Wort.
Er erklärt, daß nach Ansicht der verbündeten Regierungen die Fürsorge
für die Kleinbrennereien nicht zu weit gehen dürfe, und daß die Anträge
zu ihren Gunsten nicht angebracht seien. Im ganzen lagen zu den 148 Para-
graphen der Kommissionsvorlage 46 Abänderungsanträge vor. Angenommen
wird davon nur der Antrag Gerstenberger (Ztr.), durch den die Ver-
brauchsabgabe auf Holzessig von 40 auf 24 Mark herabgesetzt wird, ein
Antrag Nehbel Honl.) der den Lufthefefabriken ihr bisheriges Trink-
branntwein-Geschäft, wie sie es in den letzten fünf Jahren betrieben haben,
gestattet und ein anderer Antrag Nehbel, nach dem der Zollsatz für Par-
fümerien von 600 auf 400 Mark ermäßigt, dagegen der Essigsäurezoll um
10 Mark erhöht wird.
3. Juli. (Baden.) Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
Sie wird im Beisein des Großherzogspaares und des Prinzen Max
von Baden eröffnet. Kommerzienrat Lanz in Mannheim hat dazu eine
Million Mark gestiftet.
4. Juli. (Köln.) Delegiertentag der nat.lib. Partei.
Abgeordneter Bassermann schließt seine mit stürmischem Beifall
aufgenommene Rede: „Eins ist jedenfalls zu verzeichnen: eine schwere
Schädigung der Regierungsautorität. Wer den gestrigen Tag im Reichs-
tag miterlebt hat, da der Staatssekretär Sydow von seinem Standpunkt
sprach, wie da mit elementarer Gewalt ein Hohngelächter durch das Haus
og, da mußte man, auch wenn man mitgelacht hatte, wehmütigen Herzens
fagen: da schwimmt ein Stück Staatsautorität unwiederbringlich dahin.
Der Reichskanzler ist gestürzt durch die Konservativen; wenn er
nach Verscharrung der Erbschaftssteuer, da er die Auflösung nicht bekommen
konnte, seine Entlassung nahm, so ist dies eine würdige Antwort. Wir