Das Ventsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 6.—8.) 255
6. Juli. (Schutzgebiete.) Rangstellung der Gouverneure.
Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht folgenden Erlaß: „Ich verleihe
meinen Gouverneuren von Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Kamerun
und Kiautschou für die Dauer ihres Amtes und ihres Aufenthaltes inner-
halb ihres Amtsbezirks den Rang der Wirklichen Geheimen Räte. Hier-
nach sind die Rangverhältnisse Meiner Gouverneure folgende: 1. Im In-
lande haben für die Dauer ihrer Verwendung im Kolonialdienste, sofern
ihnen persönlich kein höherer Rang zusteht, die Gouverneure von Deutsch-
Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Kamerun und Kiautschou den Rang der
Räte erster Klasse, die Gouverneure von Togo, Neu-Guinea und Samoa
den Rang der Räte zweiter Klasse. 2. Im Auslande haben für die Dauer
ihres Amts und ihres Aufenthalts innerhalb ihres Amtsbezirks die
Gouverneure von Deutsch-Ostafrika, Deutsch--Südwestafrika, Kamerun und
Kiautschon den Rang der Wirklichen Geheimen Räte. Im übrigen haben
sie auch im Auslande ihren inländischen Rang, ebenso wie die Gouverneure
von Togo, Neu-Guinea und Samoa, denen ein erhöhter Rang auch inner-
halb ihres Amtsbezirks nicht zusteht. Ohne Rücksicht auf ihre Rang-
verhältnisse steht sämtlichen Gouverneuren für die Dauer ihres Amtes und
ihres Aufenthaltes außerhalb Europas das Prädikat Exzellenz zu.
6. Juli. Reichskanzler Fürst Bülow gibt den Mitgliedern
des Bundesrats ein Abschiedsessen.
Anfang Juli. (Schwarzburg-Sondershausen.) Der
Staatsminister für das Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt über-
nimmt die Regierungsgeschäfte auch für das Fürstentum Schwarzburg-
Sondershausen, das dadurch seine ministerielle Selbständigkeit verliert.
6. Juli. In Gnesen findet unter freiem Himmel die erste
Versammlung des deutschen Bauernbundes statt.
7. Juli. (Berlin.) Meineidsprozeß gegen Fürst Eulenburg.
Das Gericht erkennt, daß der Angeklagte in der nächsten Zeit nicht
verhandlungsfähig sei, und daß deshalb der Prozeß auf ungewisse Zeit ver-
tagt wird. Der Fürst hatte im Gerichtssaale einen heftigen Krampfanfall.
7. Juli. (Reichstag.) Das Abkommen mit Dänemark über
den gegenseitigen Schutz der Muster und Modelle wird in erster
und zweiter Lesung angenommen. Ebenso der Freundschafts--,
Handels= und Schiffahrtsvertrag mit dem Freistaat Venezuela,
in dem sich die Vertragschließenden gegenseitig das Recht der Meist-
begünstigung zusichern.
Bei der Fortsetzung der zweiten Beratung der Reichsfinanz-
reform wird die Mühlenumsatzsteuer mit 188 gegen 170 Stim-
men abgelehnt. Dagegen stimmen die ganze Linke, die Reichspartei,
die Polen und einige Zentrumsabgeordnete. Der von der Kommis-
sion beantragte Kohlenausfuhrzoll wird einstimmig abgelehnt.
8. Juli. (Reichstag.) Die Börsensteuern werden nach
dem Mehrheitsparteienkompromiß angenommen.
Das wesentlich Neue des Kompromißantrages lieat in der Ein-
